Die Charaktere in Schillers „Wilhelm Tell“ wollen wir hier teils als geschichtliche und teils als dramatische Gestalten betrachten. Die geschichtlichen Gestalten wurden von Schiller idealisiert. Dennoch hat Schiller aus der Chronik der Eidgenossen von Tschudi, in der die Geschichte der Schweiz und die geschichtlichen Charaktere aus dem Gründungsmythen der Eidgenossen beschrieben werden, viele Stellen fast wirklich aufgenommen, manches sogar wörtlich. Vor allem gibt er der Sprache im „Wilhelm Tell“ hierdurch ein altertümliches Gepräge. Auch bei der Wahl der Namen für die verdichteten Personen hat sich Schiller größtenteils an die Quellen gehalten.
Die Charaktere im „Wilhelm Tell“ lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
- die tyrannischen Vögte, die das Volk niederhalten und sich gegenseitig in ihren Untaten stützen;
- das geschädigte Volk, das von den Vögten in Besitz, Ehre, Leib und Leben geschändet wird, und das durch sein gemeinsames Handeln die Häscher vertreiben können;
- der Adel, der sich im Zwiespalt befindet und teils mit den Vögten, teils mit dem Volke sich gut stellt.
Tyrannische Vögte als Vertreter der kaiserlichen Gewalt
Gessler ist der Vertreter der österreichischen kaiserlichen Gewalt in Uri und Repräsentant der übrigen Vögte, die in Schillers Drama im Hintergrund bleiben.
Repräsentanten der Eidgenossen
Gessler gegenüber stehen die drei Repräsentanten der Eidgenossen: Walther Fürst, Werner Stauffacher und Arnold von Melchthal. Schiller führt uns in ihnen nicht nur die Vertreter der drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden vor, sondern auch die Vertreter dreier Generationen: das bedächtige Greisenalter, das tatkräftige Mannesalter und das leidenschaftlich erregte Jünglingsalter. Dies sind drei miteinander kontrastierende Elemente, die für die Art der Ausführung des beabsichtigten Aufstandes gegen die Unterdrücker ebenso bedeutsam sind, wie sie bei der szenischen Darstellung ästhetisch wirkungsvoll erscheinen.
Auch Wilhelm Tell gehört zu den Eidgenossen. Doch zieht es ihn mehr in die Abgeschiedenheit der Berge. Dennoch kommt er Bedrängten zu Hilfe, auch wenn er sich selbst in Lebensgefahr begibt. Er ist der Titelheld des Dramas und seine Geschichte trägt einen zentralen Teil der Handlung.
Eidgenössische Frauengestalten
Den kernigen Schweizer Männern gegenüber erblicken wir auch zwei Frauengestalten, die Schiller als zwei ganz entgegengesetzte Charaktere gezeichnet hat: Gertrud und Hedwig. Dem besonnenen und taktvollen Stauffacher macht Schiller die entschlossene Gertrud zur Frau. Die weiche und sanfte Hedwig ist die Frau des unruhigen Naturmenschen Tell. So schafft Schiller auch unter den Eheleuten für – dramatische – Spannung.
Die Vertreter der Adeligen
Anders als das Schweizer Volk, das in der Not zueinander steht, verhält es sich beim zerstrittenen Schweizer Landadel. Während der gebrechliche, altersschwache Freiherr von Attinghausen, bedingungslos zu seinem Volk steht, schmerzvoll in die Zeit der Freiheit in der Vergangenheit blickt und hoffnungslos in die Zukunft, lässt sich sein Neffe Ulrich von Rudenz vom Glanz der Macht des Kaiserhofes blenden und trägt mit Stolz die Abzeichen der österreichischen Herzöge. Zwischen den beiden vermittelt Berta von Bruneck, die zum Schweizer Volk steht, andererseits aber gezwungen war, sich mit Gessler und dem Kaiserhof gutzustellen. Parricida hingegen ist ein Vertreter des Kaiserhofes. Er schreckt aus selbstsüchtigen Gründen nicht einmal vor einem Kaisermord zurück.
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Werner, Freiherr von Attinghausen
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Ulrich von Rudenz
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Berta von Bruneck
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Johannes Parricida – Herzog Johann von Schwaben