HomeText: Wilhelm Tell4. AktWilhelm Tell – Text: 4. Aufzug, 3. Szene

Wilhelm Tell – Text: 4. Aufzug, 3. Szene

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Stüssi:
Das ist der Klostermei’r von Mörlischachen,
Der hier den Brautlauf hält – Ein reicher Mann,
Er hat wohl zehen Senten auf den Alpen.
Die Braut holt er jetzt ab zu Imisee,
Und diese Nacht wird hoch geschwelgt zu Küssnacht,
Kommt mit! ’s ist jeder Biedermann geladen.

Tell:
Ein ernster Gast stimmt nicht zum Hochzeitshaus.

Stüssi:
Drückt Euch ein Kummer, werft ihn frisch vom Herzen,
Nehmt mit was kommt, die Zeiten sind jetzt schwer.
Drum muss der Mensch die Freude leicht ergreifen.
Hier wird gefreit und anderswo begraben.

Tell:
Und oft kommt gar das eine zu dem andern.

Stüssi:
So geht die Welt nun. Es gibt allerwegen
Unglücks genug – Ein Ruffi ist gegangen
Im Glarner Land und eine ganze Seite
Vom Glärnisch eingesunken.

Tell:
Wanken auch
Die Berge selbst? Es steht nichts fest auf Erden.

Stüssi:
Auch anderswo vernimmt man Wunderdinge.
Da sprach ich einen, der von Baden kam.
Ein Ritter wollte zu dem König reiten,
Und unterwegs begegnet ihm ein Schwarm
Von Hornissen, die fallen auf sein Ross,
Dass es für Marter tot zu Boden sinkt,
Und er zu Fuße ankommt bei dem König.

Tell:
Dem Schwachen ist sein Stachel auch gegeben.

Armgard kommt mit mehreren Kindern und stellt sich an den Eingang des Hohlwegs.

Stüssi:
Man deutet’s auf ein großes Landesunglück,
Auf schwere Taten wider die Natur.

Tell:
Dergleichen Taten bringet jeder Tag,
Kein Wunderzeichen braucht sie zu verkünden.

Stüssi:
Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,
Und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.

Tell:
Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.

Tell sieht oft mit unruhiger Erwartung nach der Höhe des Weges.

Stüssi:
Gehabt Euch wohl – Ihr wartet hier auf jemand?

Tell:
Das tu ich.

Stüssi:
Frohe Heimkehr zu den Euren!
– Ihr seid aus Uri? Unser gnäd’ger Herr
Der Landvogt wird noch heut von dort erwartet.

Wanderer kommt:
Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Wasser
Sind ausgetreten von dem grossen Regen,
Und alle Brücken hat der Strom zerrissen.

Tell steht auf.

Armgard kommt vorwärts:
Der Landvogt kommt nicht!

Stüssi:
Sucht Ihr was an ihn?

Armgard:
Ach freilich!

Stüssi:
Warum stellet Ihr Euch denn
In dieser hohlen Gass ihm in den Weg?

Armgard:
Hier weicht er mir nicht aus, er muss mich hören.

Friesshardt kommt eilfertig den Hohlweg herab, und ruft in die Szene:
Man fahre aus dem Weg – Mein gnäd’ger Herr
Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.

Tell geht ab.

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