HomeText: Wilhelm Tell5. AktWilhelm Tell – Text: 5. Aufzug, 2. Szene

Wilhelm Tell – Text: 5. Aufzug, 2. Szene

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Parricida:
O wenn Ihr weinen könnt, lasst mein Geschick
Euch jammern, es ist fürchterlich – Ich bin
Ein Fürst – ich war’s – ich konnte glücklich werden
Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.
Der Neid zernagte mir das Herz – Ich sah
Die Jugend meines Vetters Leopold
Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,
Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,
In sklavischer Unmündigkeit gehalten –

Tell:
Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,
Da er dir Land und Leute weigerte!
Du selbst mit rascher wilder Wahnsinnstat
Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluss.
– Wo sind die blut’gen Helfer deines Mords?

Parricida:
Wohin die Rachegeister sie geführt,
Ich sah sie seit der Unglückstat nicht wieder.

Tell:
Weißt du, dass dich die Acht verfolgt, dass du
Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?

Parricida:
Darum vermeid ich alle offne Straßen,
An keine Hütte wag‘ ich anzupochen –
Der Wüste kehr ich meine Schritte zu,
Mein eignes Schrecknis irr‘ ich durch die Berge,
Und fahre schaudernd vor mir selbst zurück,
Zeigt mir ein Bach mein unglückselig Bild.
O wenn Ihr Mitleid fühlt und Menschlichkeit –

Fällt vor ihm nieder.

Tell abgewendet:
Steht auf! Steht auf!

Parricida:
Nicht bis Ihr mir die Hand gereicht zur Hülfe.

Tell:
Kann ich Euch helfen? Kann’s ein Mensch der Sünde?
Doch stehet auf – Was Ihr auch Grässliches
Verübt – Ihr seid ein Mensch – Ich bin es auch –
Vom Tell soll keiner ungetröstet scheiden –
Was ich vermag, das will ich tun.

Parricida aufspringend und seine Hand mit Heftigkeit ergreifend:
O Tell!
Ihr rettet meine Seele von Verzweiflung.

Tell:
Lasst meine Hand los – Ihr müsst fort. Hier könnt
Ihr unentdeckt nicht bleiben, könnt entdeckt
Auf Schutz nicht rechnen – Wo gedenkt Ihr hin?
Wo hofft Ihr Ruh zu finden?

Parricida:
Weiß ich’s? Ach!

Tell:
Hört was mir Gott ins Herz gibt – Ihr müsst fort
Ins Land Italien, nach Sankt Peters Stadt,
Dort werft Ihr Euch dem Papst zu Füßen, beichtet
Ihm Eure Schuld und löset Eure Seele.

Parricida:
Wird er mich nicht dem Rächer überliefern?

Tell:
Was er Euch tut, das nehmet an von Gott.

Parricida:
Wie komm ich in das unbekannte Land?
Ich bin des Wegs nicht kundig, wage nicht
Zu Wanderern die Schritte zu gesellen.

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