HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 26. Januar 1790

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 26. Januar 1790

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Dienstag Abends 1.

Meine lieben, wir werden einander doch nicht bloss im Vorübergehen sehen. Paul: wollen biss Sonnab. Nachmittag bleiben, und ich habe mit dem Kutscher schon accordirt, dass sie ihr Wort nicht zurücknehmen können. Wir haben einander also von 9 Vormittags biss 11 Uhr allein, und von eilf biß 4 oder 5 in Gesellschaft – die uns nicht sehr geniren wird. Indessen wär es nicht übel, wenn ihr nach Tische eine leidliche Visite bekämet, die sich mit Paulussens zur Noth unterhalten könnte. So könnten wir im andern Zimmer mehr für uns seyn. Vielleicht ist es der Stein nicht unlieb, Paulussens kennen zu lernen. Oder wißt ihr was? invitirt die Mlle Schmidt; diese läßt alles mit sich machen.

Vergeßt auch nicht, vier Billets durch den Heinr. hohlen zu lassen, denn auf Freitag Nacht ist es zu spät. Die Mäntel und Masken habe ich bestellt.

Vor einer Woche noch hatte ich geglaubt, meine Theuersten, dass wir es von dieser Woche an überhoben seyn würden, einander auf solche Art zu sehen, aber wie wenig sind wir doch eigentlich der Zukunft Meister! Ich will nicht über mein Schicksal klagen, es hat über Erwartung viel an mir gethan. Ehe mich Wilhelm die Sache anders ansehen machte, hielt ich unsre Vereinigung vor Ostern für etwas ganz unausführbares. Nachdem ich nun das, was ich damals für die Hauptschwierigkeit hielt, bey mir widerlegt hatte, so glaubte ich an kein Hinderniß mehr, und überließ mich mit voller Sicherheit der lieblichen Hoffnung – Ach, diese wenigen Monate dehnen sich vor mir in einen unübersehlichen Raum aus. Wie werden sie vorübergehen?

Mein erster Sommer in Rudolstadt ist mir heute wieder so lebhaft geworden; alle Plätze und selbst der Schein der Sonne darauf mahlte sich mir ab. Eine andere Sonne wird mir jezt dort leuchten. Wie freue ich mich schon im voraus der Wiedererinnerung aller der Träume, dunkeln oder hellern Ahndungen, die mich auf jenen Plätzen begleitet haben. Ich werde alle ehemaligen Gestalten meiner Seele dort wieder finden, und ihrer schönen Wirklichkeit mich freuen. O mit wieviel zarten Geweben ist eure Gegend an mein Herz geknüpft worden; so viele idealische Gefühle habe ich darinn niedergelegt, und in den schönen Schimmer, der von euch ausfloß in meine Seele, kleidete sich mir der Himmel und die Erde.

Ihr seyd doch wohl meine lieben bey diesem ungewißen Wetter? Ganz sicher hoffe ich euch auf der Redoute zu sehen, sonst sehe ich euch ja den ganzen Abend nicht. Ja ich werde euch dort finden?

Lebt wohl ihr Lieben. Ihr seid in meiner Seele – ach meine Seele ist nichts mehr als der Gedanke an euch. lebt wol.

  1. Januar 1790