HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 3. August 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 3. August 1789

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[Leipzig den 3. August.] Montag Abends.

Dieser heutige Tag ist der Erste, wo ich mich ganz ganz glücklich fühle. Nein! Ich habe nie gewußt, was glücklich seyn ist, als heute. Ein einziger Tag verspricht mir die Erfüllung der zwey Einzigen Wünsche, die mich glücklich machen können. Liebste theuerste Freundinnen, ich verlaße eben meinen Körner – meinen und gewiß auch den Ihrigen – und in der Ersten Freude unsers Wiedersehens war es mir unmöglich, ihm etwas zu verschweigen, was ganz meine Seele beschäftigte. Ich habe ihm gesagt, daß ich hoffe – biß zur Gewißheit hoffe, von Ihnen unzertrennlich zu bleiben. In seiner Seele habe ich meine Freude gelesen, ich habe ihn mit mir glücklich gemacht. O ich weiß nicht, wie mir ist. Mein Blut ist in Bewegung. Es ist das erstemal dass ich diese so lang zurückgehaltenen Empfindungen gegen einen Freund ausgissen konnte. Dieser heutig Morgen bey ihnen, diesen Abend bei meinen theuersten Freund vor mir dem ich alles geblieben bin wie ich es war, der mir alles geblieben ist, was er mir je gewesen – soviel Freude gewährte mir noch kein einziger Tag meines Lebens. Körner kündigt mir noch an, daß er bereit sey, Dresden zu verlassen, und Jena zu seinem Auffenthalt zu wählen. Innerhalb eines Jahres kann ich hoffen, auch von ihm unzertrennlich zu werden.

Welche schöne himmlische Aussicht ligt vor mir! Welche göttliche Tage werden wir einander schenken! Wie selig wird sich mein Wesen in diesem Zirkel entfalten! O ich fühle in diesem Augenblick daß ich keines der Gefühle verloren habe, die ich dunkel in mir ahndete. Ich fühle, dass eine Seele in mir lebt, fähig für alles was schön und gut ist. Ich habe mich selbst wieder gefunden, und ich lege einen Werth auf mein Wesen, weil ich es Ihnen widmen will.

Ja Ihnen sollen alle meine Empfindungen gehören, alle Kräfte meines Wesens sollen Ihnen blühen! In ihnen will ich leben und meines Daseyns mich erfreun. Ihre Seele ist mein – und die meinige ist ihnen. Laßen Sie mich für meine Freunde mit angeloben. Auch sie sind Ihnen, und Sie schenke ich meinen Freunden. Wie reich werden wir durch einander seyn!

Aber bestätigen Sie mir beyde, dass meine Hofnung mich nicht zu weit geführt hat, sagen Sie mirs, daß ich Sie ganz verstanden habe, daß Lotte mein seyn will, dass ich glücklich machen kann. Noch mistraue ich einer Hofnung, einer Freude, von der ich noch gar keine Erfahrung habe; Lassen Sie meine Freude bald auch von dieser Furcht ganz rein seyn. Sie können nicht handeln wie gewöhnliche Menschen, sie brauchen also auch gegen mich nichts, als Wahrheit, wir dürfen alle diese Umständlichkeiten überspringen und unsre Seelen frey und rein vor einander entfalten.

Ich kann nicht mehr schreiben. Heute nicht mehr, denn meine Seele ist jezt nicht fähig, ruhige Bilder aufzufassen. Es schmerzt mich, daß ich Ihnen so gar nicht schildern kann wie mir ist. Antworten Sie mir ja ohne Aufschub, und wenn nicht gleich eine Post geht, durch einen Expreßen. Sie haben dazu noch einen andern Grund, denn ich muß wissen, ob Sie und die Dachröden gesund genug sind, die Reise nach Leipzig zu machen. Auf den Freitag Mittag sind Körners frey, und diesen Tag könnten Sie also wählen. Sie müssen meine Freunde sehen – und ich muß Sie bald wieder sehen.

Diesen heutig Brief werden Sie Mittwoch früh haben. Schicken Sie einen Expreßen, so habe ich Mittwoch abends Ihre Antwort. Nur wenige Zeilen, nur soviel als ich brauche, um meiner Freude ganz gewiß zu seyn.

Ich habe hier niemand gesprochen als Körnern. Seine Frau und Schwägerinn sind in einer Gesellschaft, wo sie nicht los kommen können. Fast ist mirs lieb, so bin ich ganz allein bei meiner Freude. adieu!

Schiller.

Meine addresse: Prof. Schiller im Joachimsthal wohnhaft.