HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 5. März 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 5. März 1789

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Weimar d. 5. März [Donnerstag] 89.

Ich bewundre den herkulischen Mut, womit die Chère Mère sich der sauersten Arbeit unter der Sonne unterziehen will. Das Wagestück ist groß und die ganze hochfürstliche Familie sollte in Prozession, im Hemd und Wachskerzen in der Hand eine ganze kalte Winternacht lang vor ihrem Fenster ein Kirchenlied dafür singen, daß sie die Liebe haben will, ihr ein solches Opfer zu bringen. Dass sich die Chère Mère darein finden wird, ist gar keine Frage; sie ist für den Hof gebildet, und was ihre Frau und Fräulein Töchter drücken und zur Verzweiflung bringen würde, ist ihr ein Spiel. Es ist auch gar keine Frage, daß sie auf die zwey fürstliche Jungfrauen Einfluß haben und Seegen in das Haus bringen wird, aber ich fürchte nur sie wird manchen Genuß des Lebens daran setzen müssen und sich am Ende doch ihres Werks nicht zu erfreuen haben, wie sies wünscht und verdient haben wird. Wenn ihr übrigens nur durch keine andre Autorität, durch keine andern Rücksichten die Hände gebunden werden, wenn sie ganz ihrem eigenen Verstande folgen darf, so ist vieles gut. Ich wünschte, daß sie dieses ja zur positiven Bedingung gemacht hätte; dies würde ihr die Sache sehr erleichtern und manchen Ärger ersparen.

Daß diese Veränderung Ihnen beyden sehr empfindlich fallen wird, kann ich mir wohl einbilden. Sie hatten so viele Freuden auf die ganze runde Zahl calculiert; nun zerstreut sich die kleine häusliche Gesellschaft. Aber es ist auch wieder gut für sie, daß Sie eine Mutter auf dem Berge oben zu suchen haben; es hielt immer so schwer, Sie diesen Berg hinauf zu bringen, und am Ende hätten Sie mir alle Toleranz für das gute alltägliche Volk der Menschen verlernt. Der Gedanke, Ihre Mutter zu zerstreuen, zu erquicken, wird Ihnen manches neue Vergnügen machen, und wer weiß, ob Ihre nähere Vermischung mit dem Hofe nicht für manche Menschen darunter wohlthätig wirkt. Sie wißen ja das Sprüchelchen aus der Bibel: „du sollst dein Licht nicht unter einen Scheffel stecken, sondern du sollst es leuchten lassen unter den Heiden!“

Der arme Garten wird nun auch wieder in Verwilderung sinken, da seine Gebieterinn die Hand von ihm abzieht. Es ist das Schicksal der Chere Mere wie es scheint, ein wildes Erdreich nach dem andern urbar zu machen und das Unkraut auszurotten. Nur fürchte ich, was sie voriges Jahr in den alten Garten mit sovielen Kosten hat hineinführen lassen, ich mag nicht sagen, was? wird sie aus dem neuen herausführen müssen.

Die Chere Mere und ich treten also dieses Jahr ein ähnliches Amt an, das gar erstaunlich ehrwürdig ist; wir werden beyde sehr nützliche Glieder für den Staat bilden. Ich wünsche nur, daß es ihr einträglicher seyn möchte als mir; denn daß sie dem ihrigen gewachsen ist, hat sie – (ich muß doch einmal galant seyn!) in ihren Töchtern bewiesen!

Beulwitz verläßt sie nun auch; sie sind ja in den kläglichsten Wittwen- und Waysenstand versetzt. Wie wird diesen Sommer alles so verwandelt seyn bey Ihnen – doch wenn Sie sich nur nicht mit verwandeln, welches ich nicht fürchte, so hat das alles nichts zu sagen! Beulwitz kommt wieder und die Prinzessinnen werden in ihrem 40gsten Jahr auch Erziehung genug haben, oder wird sie ein künftiger Ehmann übernehmen.

Daß ich Sie in Rudolstadt besuche eh ich nach Jena gehe, war längst mein Vorsatz, meine Freude und Hofnung. Auch hoffe ich, daß diß möglich werden soll. Freilich ein Besuch auf einen Tag ist so wenig und mehr kann ich jezt nicht daran verwenden, weil das Hin und her reisen auch einen Tag nimmt – aber ein Tag ist doch unendlich viel mehr als keiner! Ist es mir möglich und leidet es das Wetter, so sehe ich Sie vielleicht zu Ausgang der kommenden Woche. Doch ist dazwischen noch ein Botentag, wo ich es Ihnen näher bestimmen kann.

Die Thalia folgt hier, das folgende Heft ist noch nicht ganz abgedruckt. Machen Sie sich aber vom Geisterseher keine große Erwartungen; von Geschichte kommt wenig darinn vor, das philosophische Gespräch wird Sie vielleicht interessiren.

Die Künstler werden Sie nächste Woche im Merkur finden; vielleicht bringe ich sie Ihnen mit.

Leben Sie recht wohl. Wolzogen grüßen Sie recht schön, wenn ich ihm nicht selbst schreibe. Nach einer addresse für ihn will ich mich umsehn; ich mag nur Boden nicht darum ersuchen, sonst hätten wir gleich eine. adieu. Die Chere Mere und Beulwitz grüßen Sie freundlich.

Schiller.