HomeBriefeAn Christophine SchillerSchiller an C. Reinwald, 10. Mai 1802

Schiller an C. Reinwald, 10. Mai 1802

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Liebe Schwester,

Ob ich gleich von der Louise keine weitere Nachricht von unserer lieben Mutter erhalten, so kann ich doch nach dem lezten Brief keine andere erwarten, als die ich längst gefürchtet. Ja gewiß ist sie längst nicht mehr, die theure Mutter, sie hat ausgekämpft und wir müßen es ihr sogar wünschen. O liebe Schwester, so sind uns nun beide liebende Ältern entschlafen, und dieses älteste Band, das uns ans Leben feßelte, ist zerrißen. Es macht mich sehr traurig, und ich fühle mich in der That verödet, ob ich gleich mich von geliebten und liebenden Wesen umgeben sehe, und euch, ihr guten Schwestern noch habe, zu denen ich in Kummer und Freude fliehen kann. O laß uns, da wir drei nun allein noch von dem väterlichen Hause übrig sind, uns desto näher aneinander schließen. Vergiß nie, daß Du einen liebenden Bruder hast, ich erinnere mich lebhaft an die Tage unsrer Jugend, wo wir uns noch alles waren. Das Leben hat unsre Schicksale getrennt, aber die Anhänglichkeit, das Vertrauen muß unveränderlich bleiben.

Grüße den lieben Bruder herzlich. Ich kann heute nichts weiter schreiben. Laß mich bald einige Worte von Dir hören.

Ewig Dein treuer Bruder

Schiller.

  1. May. Montag. 1802.