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Schiller an Georg Göschen, 26. Juli 1790

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Jena den 26. Jul. [Montag] 90.

Laßen Sie Sich nicht bange seyn liebster Freund, wie wir mit der Bogenzahl auskommen werden. Sobald ich den Plan zu meiner Geschichte des 30jährigen Kreis überdachte, sahe ich ein, daß es etwas platterdings unmöglich seyn würde, diese Geschichte in 20 oder 22 Bogen zu bringen. Ja für Gelehrte wohl in 10 Bogen, aber für unser weibliches Publikum, dem man erst so viele Notizen aus der Reichsgeschichte u: Statistik Deutschl. beyzubringen hat, wäre dieß eine gänzliche Unmöglichkeit gewesen. Ich sah ein, und ich glaube, daß jeder Vernünftige darinn mir beystimmen wird, daß alles darauf ankomme, die Preliminarnotizen so precis und ausführlich als möglich auszuarbeiten, und das Terrein auf welchem der 30jährige Krieg seine Rolle spielt so vollständig als es der Raum erlaubt abzustecken, weil nur alsdann das übrige verständlich werden und interessiren kann. Denn was würden sich unsre Damen bey dem Wort: Deutsche Freiheit: Religionsfriede: Restitutionsedikt etc denken, wenn man sie nicht vorher in die Verfaßung des Deutschen Reichs hineingeführt hätte? So aber habe ich den allerschwersten Theil und zwar den trockensten mit besonderm Fleiß und Ausführlichkeit ausgearbeitet, und ich hoffe, daß er lesbar ausgefallen ist. Jeder schöne Geist, dem Sie diese Arbeit des 30jährigen Kriegs aufgetragen hätten, wäre diesem statischen Theil der Geschichte aus dem Wege gegangen und hätte die frühere Reichsgeschichte von Carl V biß Ferdinand ganz obenhin behandelt. Ein Jurist hätte ihn hingegen als ein Skelett dargestellt. Wenn ich ein Verdienst um diese Geschichte habe, so ist es dieses, daß ich mich bey dieser Einleitung aufgehalten und das allertrockenste wenigstens menschlich auseinandergesetzt habe. Um dises aber auszuführen brauchte ich 8 Bogen, welche für die eigentliche Geschichte verloren werden mußten; 12-14 bleiben mir noch übrig, und diese reichen nicht weiter als zu Gustavs Tod. Aber hier erhält die Geschichte einen sehr glänzenden Schluß, und endigt wie ein episches Gedicht für den Leser. Die ganze darauf folgende Periode biß zum Westphälischen Frieden fasse ich in Einen kurzen Prospekt zusammen, ohne Details; bloß Resultate. Am Ende sage ich, daß es von Der Aufnahme dieses ersten Versuchs abhängen werde, ob die Ausführlichere Darstellung der 2ten Periode in dem nächsten Kalender nachfolgen solle. Ich glaube, daß das Publikum auf diese Art höchst zufrieden mit uns seyn kann. Es erhält ein ganzes, und eine große Periode des Krieges mit aller Ausführlichkeit. Hexen können wir nicht, und aus einem Taschenkalender keinen Folianten machen. Hätte ich mich bloß nach dem Raum und nicht nach meinem Publikum gerichtet, so hätte man das Ganze ohne gehörige Vorkenntnisse und also ohne Intereße gelesen, jetzt ließt man doch 20 oder 22 Bogen mit Verstand. Mehr als 22 Bogen beträgt es nicht, darauf können Sie zählen, denn alle Begebenheit nach der Schlacht bei Lützen liefre ich in einer kurzen Uebersicht die nicht über Einen Bogen wegnimmt. Wir gewinnen bey dieser Einrichtung noch dieses, daß die Besitzer dieses Kalenders den 2ten desto lieber kaufen, und es nothwendig müssen, und daß diejenige, welche den 2ten (von 1792) kaufen, ohne den von 1791 zu haben, diesen gewiß nachfordern. Schreiben Sie mir liebster Freund und mit bäldisten Ihre Meynung, ob Sie mit meiner Einrichtung zufrieden sind.

Dann möchte ich auch nach der allergenauesten Angabe wißen, wann der letzte Bogen in Ihren Händen seyn muß. Ich will Sie keinen Tag warten lassen, aber meine jetzige Zeiteinrichtung hängt davon ab, daß ich es ganz bestimmt weiß. Je mehr Tage sie mir schenken, desto mehr Gewinn für meine Arbeit, denn diese ist es was mich jetzt allein beschäftigt und ehe sie geendigt ist, schreibe ich nicht einmal Briefe, viel weniger etwas für den Druck.

Laßen Sie mich auch wissen, ob Sie einige Dutzend Exemplarien des 30jährigen Kriegs, ohne Kupfer, ohne den Calender und ungebunden mir können zukommen lassen, und für welchen Preiß, denn gratis nehme ich sie nicht. Ich möchte sie gern unter meine Zuhörer in der Univ. Geschichte austheilen. Wollen Sie es aber nicht, so bitte ich Sie bey unserer Freundschaft, mir es freimüthig zu sagen.

Und nun Adieu liebster Freund. Sie erhalten von jetzt an in jeder Woche gegen 3 Bogen, von der kommenden Woche an gerechnet. So denke ich gehe ich Schritt vor Schritt mit Ihrem Setzer.

Noch eine Hauptsache. Es sind mir in den bisherigen Aushängebogen Stellen aufgestoßen, die der Censor (ich will nicht hoffen der Corrector) geändert hat. Ich muß gestehen, daß ich darauf rechnete, sie würden diese Geschichte der Censur entziehen können, denn eine Geschichte des 30jährigen Kriegs muß schlechterdings mit Freiheit geschrieben werden; besonders da der Chursächsische Hof nicht viel Ehre dabey einlegt. Mit den bisherigen Änderungen und der Billigkeit meines Censors bin ich sehr wohl zufrieden, aber ich muß gegen jede Aenderung, welche dise Grenze überschreitet, protestiren. Wird mir eine Hauptsache alterirt oder kommt etwas fremdes hinein, so muß ich öffentlich meine Sache vertheidigen, denn über mich urtheilt das Publikum, weil mein Nahme vor dem Buche steht. Legen Sie es also ja dem Censor ans Herz und versichern Sie ihn zugleich meiner ganzen Zufriedenheit mit seiner bisherigen Discretion.

Herzliche Grüße an Ihre liebe Frau von mir und meiner Lotte. Ewig der Ihrige

Schiller.