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Schiller an Christian Schwan, 24. April 1785

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Leipzig, d. 24. April. [Sonntag] 1785.

Sie haben das vollkommenste Recht, bester Freund, meines langen Stillschweigens wegen auf mich böse zu seyn, und doch kenne ich Ihre Güte schon zu gut, und rechne auf Ihre Vergebung. Wenn einer in der größeren Welt noch so sehr Neuling wie ich, um die Meßzeit zum ersten Mal nach Leipzig kommt, so ist es, wo nicht verzeichlich, doch wenigstens sehr begreiflich, daß er in den ersten Tagen über den Mannichfaltigkeiten, die durch seinen Kopf gehen, seiner selbst vergißt. Diß, theurester Freund, ist beinahe biß heute mein Fall gewesen, und ich stehle den angenehmen Augenblik, den ich, im Geiste, bei Ihnen zubringen darf.

Unsre Hieherreise, wovon Ihnen Hr. Göz eine umständliche Beschreibung machen wird, war die fatalste die man sich denken kann. Morast, Schnee und Gewäßer waren die drei schlimmen Feinde die uns wechselsweiße peinigten, und ob wir gleich von Vach an immer 2 Vorspanpferde gebrauchen mußten, so wurde doch unsre Reise, die Freitags beschloßen seyn sollte, biß auf den Sonntag verzögert. Man behauptet auch durchgängig, daß die Messe durch die abscheulichen Weege merklich gelitten habe; wenigstens ist, selbst in meinen Augen, das Gedränge von Verkäufern und Käuffern weit unter der Beschreibung, die man mir im Reich davon gemacht hat.

Ich habe in der ersten Woche meines Hierseyns schon unzälige Bekanntschaften gemacht, worunter mir Weiße, Oeser, Hiller, Zollikofer, der Professor Huber, Jünger, der berühmte Schauspieler Reinike, einige hiesige Kaufmannshäußer, und einige Berliner die intereßantesten sind. Man kann, wie Sie selbst wißen, zu Meßzeiten eigentlich niemand ganz genießen, und die Aufmerksamkeit auf Einzelne verliert sich in dem Getümmel. Meine angenehmste Erhohlung ist bisher gewesen, Richters Kaffehauß zu besuchen, wo ich immer die halbe Welt Leipzigs beisammen finde, und meine Bekanntschaften mit Einheimischen u. Fremden erweitere. Man hat mir von zerschiednen Orten her sehr verführerische Einladungen nach Berlin und Dresden gethan, denen ich schwerlich wol widerstehen werde. Es ist so eine eigene Sache mit einem schriftstellerischen Nahmen, bester Freund. Die wenigen Menschen von Werth und Bedeutung, die sich einem auf diese Veranlaßung darbieten, und deren Achtung einem Freude gewährt, werden nur allzu sehr durch den fatalen Schwarm derjenigen aufgewogen, die wie Geschmeißfliegen um Schriftsteller herumsumsen, einen wie ein Wunderthier angaffen und sich obendrein gar, einiger vollgekleksten Bogen wegen, zu Kollegen aufwerden. Vielen wollte es gar nicht zu Kopfe, daß ein Mensch, der die Räuber gemacht hat, wie andre Muttersöhne aussehen soll. Wenigstens rund geschnittene Haare, Kourierstifel und eine Hezpeitsche hätte man erwartet.

Man pflegt hier in vielen Familien den Sommer über auf den benachbarten Dörfern zu kampieren, und das Land zu genießen. Ich werde auch einige Monate in dem Orte Goliz zubringen, der nur eine Viertelmeile von Leipzig entlegen ist, und wohin ein sehr angenehmer Spaziergang durch das Rosenthal führt. Hier bin ich willens, sehr fleißig zu seyn, an dem Karlos und der Thalia zu arbeiten, und, was Ihnen vielleicht das angenehmste zu hören seyn wird, unvermerkt mich wieder zu meiner Medicin zu bekehren. Ich sehne mich ungeduldig nach dieser Epoche meines Lebens, wo meine Aussichten gegründet und entschieden seyn werden, und wo ich meiner Lieblingsneigung bloß zum Vergnügen nachhängen kann. Ueberdem habe ich ja die Medizin ehmals con amore studiert – Solte ich das jezt nicht um so mehr können?

Sehen Sie, bester Freund, das könnte Sie allenfalls von der Wahrheit und Festigkeit meines Vorsazes überzeugen; dasjenige aber, was ihnen die vollkommenste Bürgschaft darüber leisten dürfte, was alle Ihre Zweifel in meine Standhaftigkeit verbannen muß, habe ich noch biß auf diese Minute verschwiegen. Jezt oder nie muß es gesagt seyn. Nur meine Entfernung von Ihnen gibt mir den Mut, den Wunsch meines Herzens zu gestehen. Oft genug, da ich noch so glüklich war um Sie zu seyn, oft genug trat diß Geständniß auf meine Zunge, aber immer verließ mich meine Herzhaftigkeit, es heraus zu sagen. Bester Freund, Ihre Güte, Ihre Theilnahme, Ihr vortrefliches Herz haben eine Hoffnung in mir begünstigt, die ich durch nichts, als Ihre Nachsicht und Freundschaft zu rechtfertigen weiß. Mein freier zwangloser Zutritt in Ihr Hauß gab mir Gelegenheit Ihre liebenswürdige Tochter ganz kennen zu lernen, und die freimütige gütige Behandlung, deren Sie beide mich würdigten, verführte mein Herz zu dem kühnen Wunsch, ihr Sohn seyn zu dörfen. Meine Aussichten sind biß jezt unbestimmt und dunkel geblieben, nunmehr fangen sie an, sich zu meinem Vortheile zu verändern. Ich werde mit jeder Anstrengung meines Geistes dem gewißen Ziele entgegengehn, urtheilen Sie selbst ob ich es erreichen kann, wenn der angenehmste Wunsch meines Herzens meinen Eifer unterstüzen wird. Noch zwei kleine Jahre, und mein ganzes Glük wird entschieden seyn. Ich fühle es, mein theurester Freund, wie viel ich begehre, wie kühn und mit wie wenigem Recht ich es begehre. Ein Jahr schon ist es, daß dieser Gedanke meine Seele beschäftigte, aber meine Hochachtung für Sie und Ihre vortrefliche Tochter war zu groß, als dass ich einem Wunsche hätte Raum geben können, den ich damals durch nichts unterstüzen konnte. Ich legte mir die Pflicht auf, Ihr Hauß seltener zu besuchen, und in der Entfernung Zerstreuung zu finden, aber dieser armselige Kunstgriff gelang meinem Herzen nicht. Der Herzog von Weimar war der erste Mensch, dem ich mich öfnete. Seine zuvorkommende Güte und die Erklärung, daß er an meinem Glük Antheil nähme, brachten mich dahin ihm zu gestehen, daß dieses Glük auf einer Verbindung mit Ihrer edlen Tochter beruhe, und er freute sich meiner Wahl. Ich darf hoffen, daß er mehr für mich handeln wird, wenn es darauf ankömmt, durch diese Verbindung mein Glük zu vollenden. Ich seze nichts mehr hinzu, bester Freund, als die Versicherung, daß vielleicht hundert andre Ihrer guten Tochter ein glänzenderes Schiksal verschaffen können, als ich in diesem Augenblik ihr versprechen kann, aber ich läugne, daß eines andern Herz Ihrer würdiger seyn wird. Von Ihrer Entscheidung, der ich mit Ungeduld und furchtsamer Erwartung entgegensehe hängt es ab, ob ich es wagen darf selbst an Ihre Tochter zu schreiben.

Leben Sie wohl, ewig geliebt von Ihrem

Frid. Schiller.

(Am Rande von Schwans Hand):

Laura in Schillers Resignation ist niemand anders als meine älteste Tochter. Ich gab derselben diesen Brief zu lesen und sagte Schillern er möchte sich gerade an meine Tochter wenden. Warum aus der Sache nichts geworden, ist mir ein Räthsel geblieben.

Glücklich wäre Schiller mit meiner Tochter nicht gewesen.