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Schiller an Christoph von Murr, 5. Mai 1795

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Jena den 5. May [Dienstag] 95.

Was werden Sie von mir denken, Hochgeehrtester Herr, daß ich Ihnen für die angenehmen Geschenke, die Sie mir im vorigen Jahr so gütig übersandt haben, noch immer nicht Dank gesagt habe? Damals als ich Sie empfieng hinderte mich meine Krankheit, Ihnen sogleich zu antworten, und nachher kamen soviel zerstreute Geschäfte dazwischen, daß diese Bezeugung meiner Schuldigkeit von Tag zu Tag hinaus geschoben wurde, so daß ich endlich, wie es oft geschieht, aus Beschämung schwieg. Vergeben Sie mir also, würdiger Mann, diese meine Unhöflichkeit und Undankbarkeit, und denken Sie darum nicht schlimmer von mir. Mit dem aufrichtigsten Herzen versichere ich Ihnen, daß jene Zeichen Ihrer freundschaftlichen Gesinnungen gegen mich den größten Wert für mich haben und mich zu Ihrem verpflichteten Schuldner machen. Nicht um diese Schuld zu tilgen, bloß um Ihnen ein kleines Zeichen meiner Hochachtung zu geben, nehme ich mir die Freyheit, einige Kleinigkeiten von meiner Feder beyzulegen, die ich in Ihrer Büchersammlung aufzustellen bitte. Die Sammlung prosaischer Aufsätze wird durch mehrere Bände fortgesetzt, welche ich, sowie sie erscheinen, Ihnen zuschicken werde.

Ihre Anfrage wegen des Dante kann ich nicht sogleich beantworten, weil der Verfasser dieser Uebersetzung gegenwärtig außerhalb Deutschland sich befindet.

Hochachtungsvoll verharre ich

Ew. Hochwohlgeb.
gehorsamster Diener

Schiller.