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Schiller an Friedrich Schöder, 18. Dezember 1786

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Dresden den 18 Dec. [Montag] 86.

Ich habe die Antwort auf Ihren ersten Brief biß jezt aufschieben müssen, weil ich mich über eine Reise nach Hamburg nicht entscheiden konnte, ohne mit gewißen Personen darüber zu conferieren, welche den nächsten Antheil an meinen Entschlüssen haben. Ich lebe hier im Schooße einer Familie der ich nothwendig geworden bin – einige andre Verhältnisse denen ich jedes Opfer bringen muß wollen mich lieber in Dresden als sonst irgendwo haben, außerdem mußte ich doch der Form wegen mit dem Herzog von Weimar darüber übereingekommen seyn, weil mein Aufenthalt in Hamburg ein Engagement ist. Sonst muss ich Ihnen offenherzig gestehen, wäre es mehr meine Ungeduld Sie zu sehn, als jede andere Ursache, warum ich gerne nach Hamburg reiste. Bei guten Büchern dünkt es mich hat man auf das Locale nicht soviel Rücksicht zu nehmen. Eine gewiße Fertigkeit oder Fühlbarkeit für das was in Schauspielen wirkt, die ich in Mannheim und auch hier zu erlangen Gelegenheit hatte wird bei mir diesen Mangel an Localkenntniß ziemlich ersezen. Ausserdem glaube ich überzeugt zu seyn, daß ein Dichter dem die Bühne, für die er schreibt, immer gegenwärtig ist, sehr leicht versucht werden kann, der augenblicklichen Wirkung den daurenden Gehalt aufzuopfern, Classicität dem Glanze – vollends wenn er in meinem Fall ist und noch über gewisse Manieren und Regeln sich nicht bestimmt hat. Und dann, glauben Sie mir auch gewinnt mein Enthousiasmus für die Schauspielkunst dadurch sehr, wenn ich mir die glückliche Illusion bewahren kann, welche wegfällt sobald Coulissen und papierne Wände mich unter der Arbeit an meine Gränzen erinnern. Besser ist es immer wenn der erste Wurf ganz frei u. kühn geschehen kann u. erst beim Ordnen und Revidiren die theatralische Beschränkung u. Convenienz in Anschlag gebracht wird. Auf diese Art glaube ich lassen sich Kühnheit u. Wahrheit mit Schiklichkeit und Brauchbarkeit vereinigen.

Das sind ohngefähr die Gründe welche ich dem herzlichen Verlangen entgegenseze, in Ihrem nähern Umgang zu leben. Eine Reise nach Hamburg überhaupt will ich gar nicht verschwören – vielleicht sehen Sie mich künftiges Jahr – unterdessen aber muß ich mich mit ihrem andern Vorschlag begnügen Ihnen meine Stükke zu senden.

Der Carlos wird auf den Jänner fertig, so daß Sie ihn spätestens in 6 Wochen erhalten können. Der Menschenfeind kann nicht viel früher als in der Mitte Aprils geendigt seyn. Nun muß ich mir vor allen Dingen Nachricht von ihnen ausbitten 1) ob ich den Carlos in Prosa für Ihre Bühne verwandeln muß, weil doch immer zu besorgen ist, daß die untergeordneten Schauspieler Jamben schief declamieren, und unter 12-15 Personen können nicht alle Meister seyn. Mir macht es eine Mühe mehr, aber eine angenehme Mühe, weil sie mir den Erfolg versichert.

2) Wünschte ich zu wissen welche Größe ich dem Stük geben, ob es 3 gute Stunden spielen darf? 3) ob ich mir im Punkte des Catholicismus, der Geistlichkeit u. der Inquisition einige Freiheiten erlauben darf oder ob es nothwendig ist, daß ich den Dominikaner weltlich mache u. die verfänglichen Stellen streiche? 4) Ob die Schauspielerin der Sie die Prinzeßin Eboli zutheilen eine leidliche Arie singen kann? Es ist im Stükke darauf gerechnet und wenn es also nicht wäre so müßte ich damit eine Änderung treffen. 5) Ob es bei ihnen widrig auffallen möchte, wenn das Stük mehr als 5 Akte hätte – die gedrukte Ausgabe wird 24 Bogen und 9 Akte betragen, die Theateredition könnte 12 Bogen und 7 Akte haben. Sollten Sie meinen, daß man sich an dieser Regelverlezung stoßen werde so könnte ich jezt noch eine Auskunft treffen. Ueber diese Fragen bitte ich mir bald eine Antwort aus.

Der Himmel bewahre mich übrigens, daß ich mich übrigens, daß ich mich in kaufmännische Bedingungen über meine Stükke mit Ihnen einlasse. Sie gründen sie auf ihre Berechnung, die ich nicht weiß und also überlasse ich alles Ihnen. Nur bitte ich, daß ich die Freiheit behalte, die Stükke, wenn sie erst ihre Bühne betreten haben, auch auf ein anderes Theater bringen kann – u. daß mein Manuscript das ich Ihnen schicke, nicht gedrukt wird.

Ich habe meinem ersten Briefe an Sie einen Einschluß an Bek beigelegt worauf ich noch keine Antwort habe. Er hat ihn doch erhalten?

Ich empfehle mich Ihrem Andenken bester Schröder und unterschreibe mich mit der vorzüglichsten Achtung

Ihr ergebenster

Schiller.