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Schiller an Friedrich Schröder, 13. Juni 1787

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Dresden 13 Juny [Mittwoch] 87.

Endlich erhalten Sie im Junius was Ihnen auf den Januar zugedacht war. Diese erste Probe meines Worthaltens, liebster Schröder, wird Sie für alle folgenden Fälle witzigen – aber thun Sie mir nicht zu viel. Die Umstände welche dißmal den Carlos verzögerten kommen zum Glück nicht so gar oft wieder und wenn sie kommen, so kommen sie doch nicht zugleich. Eine Abhaltung und die stärkste könnt ich Ihnen nennen, weil sie sehr – menschlich ist, aber ich brauche mein Papier jetzt zu nothwendigern Dingen.

Acht und zwanzig gedruckte Bogen auf soviel, als Sie hier erhalten, zu reduzieren war so leicht nicht. Vollends, wenn ich gewißen Rollen wenig abschneiden wollte, wie z. B. beim Philipp geschehen ist. Ich habe mich bei den andern Theatereditionen die zum Theil schon verschickt sind, so ungeschickt als möglich aus der Schlinge gezogen, aber was ich für Sie machte, sollte reif u. gedacht seyn, darum verschob ich Ihren Carlos bis zulezt. Halten Sie das nicht für einen Krämerkniff Ihnen meine Waare anzupreisen. Es ist mein Ernst u. ich will Sie dadurch von nichts als meiner herzlich guten Meinung versichern.

Ueber das Stück selbst will ich Ihr Urtheil nicht prevenieren. Sie werden selbst sehen u. mich entbehren. Aber über eine Hauptsache muß ich mich mit Ihnen berichtigen. Ich weiß nicht zu bestimmen, wie weit in Hamburg die Toleranz geht. Ob z. B. ein Auftritt des Königs mit dem Großinquisitor statt finden kann. Wenn Sie ihn gelesen haben, werden Sie finden, wie viel mit ihm für das Stück verloren seyn würde. Weil ich es aber nicht aufs Ungewisse wagen wollte, so habe ich diesen Auftritt so angebracht, daß er ohne dem Zusammenhang Schaden zu thun, wegbleiben kann. Was also zwischen * eingeschloßen ist, kann auf den schlimmsten Fall weggelassen werden. Wenn nur Kleidung und Name Schwierigkeiten machten so verändern Sie Beides nach Gutbefinden. Gerne geb ich der Schwachheit diese Nebensachen preiss, wenn mir meine Contrebande dadurch erleichtert wird. Ueber den Auftritt Philipps mit dem Marquis habe ich in der Republicanischen Stadt hoffentlich nicht unruhig zu werden. Sollte das Stück, in seiner jetzigen Gestalt, noch zu lang spielen, so habe ich gleichfalls mit rother Kreide diejenigen Stellen bezeichnet, die ich lieber als andere aufopfere u. dem Stücke selbst für entbehrlicher halte. Sie treffen meist declamatorische, die ohnehin oft die Kunst des Schauspielers u. die Geduld des Publikums in Verlegenheit setzen. Was ich sonst noch zu bitten und zu erinnern habe, wäre kürzlich Folgendes.

Bei denjenigen Rollen worin Erzählung, – dem Verständniß des Stückes nothwendige – Erzählung ist, von deren Einsicht die Wirkung vieler folgenden Scenen abhängen kann, bei solchen Rollen bitte ich Sie mehr auf ein deutliches Organ als auf Genie und Geschicklichkeit zu sehen. Die Vernachläßigung dieser Maxime hat nach meinen eignen Erfahrungen wichtige Stücke scheitern gemacht. Wenn die Rollen des Marquis u. Karlos nicht von selbst und natürlich sich bei Ihrer Gesellschaft austheilen, so wünschte ich Sie wählten Ihren besten Liebhaber zum Marquis, vorausgesetzt, daß er der älter scheinende ist, und zum Carlos denjenigen, der mehr Genie als Cultur, mehr Leidenschaft als Welt hat. Sie verstehen mich. Wenn alle Stricke reißen, so werden Sie den Philipp preiss geben müssen und den Marquis selbst spielen. Bei denjenigen Scenen wo ein volles Theater seyn muß, wo der König im Gefolg seiner Granden ist, bitte ich Sie sich aus den Wolken Ihrer Begeisterung zur Pedanterei des Regisseurs herabzulassen, und diesen dastehenden Figuren Leben einzublasen, und Theilnahme an dem was um sie vorgeht zu empfehlen. Deßwegen wünschte ich, daß es der Rollenschreiber bei Jedem pünktlich anmerkte. Sie werden nach Lesung des Stücks finden, wie wichtig diese Erinnerung für das Interesse ihrer besten Scenen ist. Uebrigens stellen Sie mir bei solchen Gelegenheiten soviel Spanische Granden auf die Bühne, als Sie Röcke haben. Die Menschen denk ich werden sich hier schon dazu finden, wie in der wirklichen Welt. Und Sie als König Philipp sind gebeten auf das spanische Etikette Ihrer Vasallen zu sehen. Doch ich vergesse, daß ich Ihnen hier Dinge schreibe, die ich beßer von Ihnen hören könnte. Verzeihen Sie der väterlichen Zärtlichkeit diese Indiscretion. Schließlich u. ernstlich bitte ich Sie, bester Schröder, hauchen Sie Ihren eignen Genius unter Ihre Gesellschaft – Seien Sie durch Ihre Fürsorge und Ihre Winke allgegenwärtig und flößen Sie Ihnen und mir zu liebe, einen Exprit des corps unter Ihre Menschen, den Carlos ganz darzustellen. Brüten Sie darüber (wie Fiesko meint) mit Monarchenkraft!

Habe ich Ihnen noch etwas darüber zu sagen? Ich denke nein. Ich bin fertig.

Möchte ich nun auch gleich die Fürchte meiner Mühe genießen, u. im Anblick meines Karlos auf Ihrer Bühne schwelgen können! Diese schöne Aussicht hellt mir jezt schon zum Voraus viele Augenblicke auf. Ich werde Sie sehen u. mein beinahe erstorbenes Kunstgefühl für Theater wird neu in mir aufwachen. Von Ihnen hoffe ich diese Aussöhnung meiner Muse mit der Bühne, welche die meisten Theater die ich jetzo noch gesehen, mehr entfernt, als erleichtert haben. Wahrscheinlich haben Sie mich gegen Ende des Sommers in Hamburg. Ich werde in 2 oder 3 Wochen eine Reise antreten, welche mit Hamburg beschließen soll. Ein neues Stück bringe ich Ihnen mit.

Nun zu einem sehr prosaischen Artikel. Könnten Sie mir eh ich abreise noch Geld schicken, so würde mir das sehr willkommen seyn. Ich brauch es zur Reise, u. denke daß es mir lächerlich stehen würde über diesen Punkt gegen Sie zurück zu halten. Mit Ende dieses Monats gedenke ich Dresden zu verlassen.

Die offene Fehde haben Sie erhalten, wie ich aus einem Briefe Dalbergs aus Mannheim ersehe. Der Verfaßer dieser Uebersetzung erwartet Ihre Antwort, und wenn das Stück schon auf der Bühne erschienen wäre, ein paar Worte über sein Schicksal.

Über das Frauenzimmer bei Ihrer Bühne u. meine Forderungen über die beiden Damen Rollen im Karlos habe ich ganz geschwiegen, denn ich kenne Ihre Schauspielerinnen noch zu wenig. Das wird also ganz Ihrer Entscheidung überlassen bleiben, so wie alles übrige.

Lassen Sie mich nun aufs bäldiste von Ihnen hören, liebster Schröder, u. vor allem andern schrieben Sie mir mit der Wahrheit die ich stets gegen Sie beobachten werde die Wirkung die der Carlos auf Sie gemacht hat. Ihr Urtheil soll eine von den Belohnungen seyn, die ich mir durch diese Arbeit errungen haben möchte. Leben Sie wol.

Schiller.