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Schiller an Fritz Reichardt, 3. August 1795

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Jena den 3 Aug. [Montag] 95.

Ihr Brief und was ihn begleitete, mein vortrefflicher Freund, hat mich nicht wenig erfreut und ich benutze wie Ihnen die Beilage zeigen wird, Ihre gütige Erlaubniß, Ihnen auch von meinem Machwerk etwas zur Composition zu übergeben.

Der Tanz ist zwar in einer Versart abgefaßt die für den Musiker nicht sehr bequem ist. Da aber das sujet desto musikalischer und das Stück an sich nicht groß ist, so setzen Sie Sich vielleicht über jene Schwierigkeiten hinweg – und dann was könnte für einen Meister Schwierigkeiten haben? Mir kömmt vor als müßte es eine gute Wirkung thun, wenn die Musik zu diesem Stück einen ordentlichen Tanz ausdrückte, nur in einer mehr idealischen Manier gedacht und ausgeführt.

Auch glaube ich brauchte nicht alles gesungen zu werden, besonders könnten die einzelnen Stellen „Jetzt verliert es der suchende Blick“ und „Nein, dort schwebt es frohlockend herauf“ so wie auch einige ins philosophische gehende Stellen bloß recitativ seyn – doch ich vergesse, daß ich ein erbärmlicher Laye bin und mit einem Meister rede.

Der Frühling ist von einem jungen Frauenzimmer, das wie Sie aus dieser Probe sehen, viel poetisches Talent hat. Mir scheint dieses Stück auch eine musikalische Canonisation zu verdienen. Auch die Minnelieder scheinen mir sehr singbar.

Meine übrigen poetischen Beiträge zu dem Almanach qualifiziren sich nicht wohl zur Composition weil sie mehr Ausführungen philosophischer Ideen als Empfindungs-Gemälde sind. Vielleicht aber findet sich in einigen Wochen noch eines, das für jenen Zweck taugt.

Freylich ist es Schade, daß Goethe von der Idee abgekommen ist den Cophta als Oper auszuführen, besonders da Sie schon auf dem Weg waren, die Music dazu zu entwerfen. Indessen glaube ich doch, daß das Sujet an sich zu kalt und daher für d. Musiker nicht ganz günstig gewesen wäre.

Für die überschickten Stücke Ihres Journals sage ich Ihnen den verbindlichsten Dank. Beinahe hätte es mich anfangs verdrossen, einen Künstler (der noch das einzige ganze freie Wesen auf dieser sublunarischen Welt ist) an dieser schwerfälligen politischen Diligence der neuen Welthistorie ziehen zu sehen, aber der Reichthum von Materialien und die interessante Auswahl derselben, wodurch Ihr Journal sich offenbar auszeichnen, entschieden Ihren Beruf zu dieser Art von Schriftstellerey. Aber von mir werthester Freund, verlangen Sie ja in diesem Gebiete weder Urtheil noch Rath, denn ich bin Herzlich schlecht darin bewandert und es ist im buchstäblichsten Sinne wahr, daß ich gar nicht in meinem Jahrhundert – lebe; und ob ich gleich mir habe sagen lassen, daß in Frankreich eine Revolution vorgefallen, so ist dies ohngefähr das wichtigste was ich davon weiß.

Den Abdruck Ihrer Composition zu den Vossischen Gedichten finden Sie in der Beilage. Ich will hoffen daß er fehlerlos seyn wird.

Göthen erwarte ich heute Abend aus dem Karlsbade zurück.

Leben Sie recht wohl und behalten Sie in freundschaftlich Andenken

Ihren
ganz ergebenen

Schiller.

N. S. Die Gedichte von Ihrem jungen Freunde sollen mir willkommen seyn.