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Schiller an Heinrich von Gleichen, 3. Mai 1793

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Jena, den 3. Mai [Freitag] 93.

Mit dem schönen Werk, das Sie mir geschickt haben, liebster Freund, haben Sie mich aufs angenehmste überrascht. Wenn ich auch ganz vergeße, daß es ein Zeichen Ihres Andenkens und Ihrer Liebe für mich ist, so muß ich Ihre große Kunstfertigkeit und ihr Talent bewundern, das ganz unverkennbar daraus hervor leuchtet. Gewiß kommt es bloß auf ihren Willen an, es in der Mahlerey noch weit, sehr weit zu bringen, und in dieser Rücksicht macht mir Ihre Reise nach Dresden unendlich viel Freude. An den herrlichen Produkten des Genius, die Sie dort sehen und studiren werden, wird Ihr eigenes Kunstgenie, von dessen Aechtheit ich jetzt vollkommen überzeugt bin, Feuer fangen, und Sie werden mit den beßten Schätzen bereichert, und mit neuer Liebe zur Kunst beseelt, zurückkehren; so daß ich aus dieser Dresdener Reise schon eine italienische hervorgehen sehe.

Möchten Sie doch vor oder nach dieser Dresdener Reise ein altes Versprechen erfüllen und uns in Jena besuchen. Mich verlangt recht herzlich auf Geistes-Ergießungen gegen Sie, und da ich gerade jetzt nichts als Kunst und Kunstkritik treibe, so hätten wir jetzt einen herrlichen Stoff mit einander abzuhandeln. Ueberlegen Sie dieses mit ihrer lieben Gemahlin, und laßen Sie meine Bitte statt finden.

Noch einmal meinen beßten Dank für Ihr schönes Andenken, und meine aufrichtigsten Glückwunsch zu Ihrem Kunsttalent. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und dem Kleinen aufs schönste, und ich küsse dem letzteren respektvoll die Hand. Wollen Sie die Mühe übernehmen uns bey meiner Schwägerin zu entschuldigen, daß wir heute nicht an sie schreiben.

Meine Frau läßt diesen Augenblick zur Ader, und kann wegen dieser blutigen Handlung nicht zum Schreiben kommen.

Ganz der Ihrige

Schiller.