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Schiller an Johann Frankh, 23. Mai 1802

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Weimar d. 23. May [Sonntag] 1802.

Hochgeehrtester Herr Schwager,

Ob ich gleich auf die traurige Nachricht von dem Hinscheiden meiner theuren Mutter vorbereitet war und mir nichts anders versprechen konnte, so hat mich doch die Gewißheit davon, die mir Ihr Schreiben, mein werthester HE Schwager überbrachte, innig betrübt, und mit Schmerzen ergreife ich die Feder, um Ihren Brief zu beantworten. Möge der Himmel der theuren Abgeschiedenen alles mit reichen Zinsen vergelten, was sie im Leben gelitten und für die ihrigen gethan. Warlich, sie verdiente es, liebende und dankbare Kinder zu haben, denn sie war selbst eine gute Tochter für ihre leidenden und hülfsbedürftigen Aeltern, und die kindliche Sorgfalt, die sie selbst gegen die Letzteren bewies verdiente es wohl, daß sie von uns ein gleiches erfuhr. Sie, mein theurer Schwager, haben die Sorgfalt meiner Schwester für die Verewigte getheilt und sich dadurch den gerechtesten Anspruch auf meine brüderliche Liebe erworben. Ach, Sie hatten schon meinem seligen Vater diesen kindlichen Dienst und Ihren geistlichen Beistand geleistet, und die Pflichten ss abwesenden Sohnes auf sich genommen. Wie innig danke ich Ihnen dafür! Nie werde ich mich meiner verewigten Mutter erinnern, ohne zugleich das Andenken desjenigen zu segnen, der ihr ihre letzten LeidensTage so gütig erleichterte.

Alles übrige, mein verehrter Herr Schwager, überlasse ich ganz Ihrer gütigen Veranstaltung, und werde sogleich nach empfangener Aufforderung vom Amte Leonberg in der Person Ihres Herrn Oncle meinen Mandatarius ernennen, welchen ich einstweilen in meinem Nahmen um Übernehmung dieses Dienstes gütigst zu ersuchen bitte. Da ich in 3 Tagen dem Buchhändler Cotta, der von seiner Leipziger Meßreise zurückkommt und hier durch passiert, erwarte, so werde ich mit diesem das weitere besprechen, wegen der Verlassenschaft und wie es etwa anzustellen, daß ich und meine Schwester in Meinungen keine Abzugsgelder zu bezahlen brauchen. Dieser wird Ihnen, mein werthester HE Schwager, alsdann von Stuttgardt aus Nachricht von mir geben, wo er wahrscheinlich am 6 Junius wieder eingetroffen seyn wird.

Wenn meine selige Mutter keine anderweitige Dispositionen gemacht hat, und wenn Sie, mein werthester HE Schwager und meine liebe Schwester Louise nichts darwider haben, so wünschte ich von den Effecten der lieben Mutter wo möglich etwas, das mir ein bleibendes Andenken an die Verewigte seyn kann, zu erhalten, wenn sich etwas dergleichen vorfinden sollte, wofür ich gern auf die uns zugedachten Kleidungsstücke Verzicht thun will. Die Sache brauchte sonst keinen Werth zu haben, als daß mir ihr Andenken dadurch erneuert wird.

Herzlich empfehlen wir uns, meine Frau und ich, Ihrer und meiner lieben Schwester Louise fernerer Liebe und ich bin mit der aufrichtigsten Hochachtung und Freundschaft

Ihr ganz ergebener Schwager

F. Schiller.

P. S.

Den Betrag der Doctor- u. Apothekerrechnung, bitte ich, nicht von der ganzen Erbschaftsmasse, sondern bloß von meinem Antheil abzuziehen, denn ich hatte dafür schon eine Summe bestimmt gehabt, und rechne diesen Artikel zu denjenigen, welche ich mir gleich Anfangs zur Pflicht gemacht. Meine liebe Louise, die so viel für die gute Mutter gethan, muß auch mir diesen kleinen Antheil an der Erleichterung ihrer letzten Tage erlauben. Nur die Pflicht für meine Kinder bindet mir die Hände, daß ich den beiden lieben Schwestern meine brüderliche Liebe nicht in größerem Umfang zeigen kann.