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Schiller an Karl Groß, 2. April 1805

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Weimar 2. April [Sonnabend] 1805.

Wie sehr fürchte ich, mein werther theurer Freund, daß mein langes Stillschweigen auf Ihre lieben Briefe die von einem so werthen Andenken begleitet waren, Ihnen eine seltsame Meinung von mir möchte beigebracht haben. Aber da ich Ihr Paquet mit der Zeichnung erhielt, war ich gefährlich krank und meine Frau lag eben in Wehen, so daß ich für alles andere unfähig war. Und so war es leider auch den größten Theil des Winters, unter dessen Strengigkeit meine schwache Natur bald erlegen wäre. Jetzt mit eintretendem Frühjahr kömmt die Heiterkeit und der Lebensmuth zurück und so wie die Erde der Sonne, öffnet sich auch die Seele der Freundschaft wieder.

Ich fange also damit an, Ihnen aufs herzlichste für Ihr Andenken an mich, für Ihr fortdauderndes Vertrauen zu mir zu danken. Wahrlich, Ihr Andenken ist immer frisch und lebendig unter uns, und innig rührt es uns, daß auch Sie unserer denken. In dieser Zeit hat sich freilich viel bei uns verändert, mein Haus ist lebendig geworden und Sie würden sich wundern, wenn Sie meine Söhne sähen, davon der älteste jetzt bald zwölf Jahr alt ist.

Viel Freude habe ich in diesen 12 Jahren erlebt, wiewohl auch viel durch Krankheit gelitten, aber der Geist ist doch immer frisch geblieben.

Ihre Zeichnung hat uns einen sehr angenehmen Beweis Ihrer Fortschritt ein der Kunst gegeben, und gewiß würde es nur von Ihrem beharrlichen Willen und von der Entschiedenheit Ihres Entschlußes abhängen (der jezt noch zwischen Poesie und Malerei hin und her zu schwanken scheint) es in der Kunst zur Meisterschaft zu bringen. Eine schöne Phantasie belebt Ihr Werk, es hat Geist und Anmuth, und vielleicht mangelt es ihm weniger an den höheren Eigenschaften, welche die Natur allein giebt und der Fleiß nie erwirbt, als an gewißen mechanischen, die sich durch anhaltende Uebung erwerben laßen. Ich kann von Ihrem Gedichte ohngefähr das nämliche in Absicht auf die poetischen Forderungen sagen, Seele und Gefühl athmet darin, wie es in allem der Fall sein wird, was Sie machen. Aber der Sprache fehlt es an Bestimmtheit, Sicherheit und Correctheit und dem Ganzen noch die letzte Hand. Ihr Aufenthalt in Italien, der Ihren malerischen Fortschritten günstig ist, wird Ihren poetischen Arbeiten nachtheilig sein, weil Sie in dieser Entfernung mit unserer Dichtersprache nicht wohl gleichen Schritt halten können, die in beständiger Gestaltung und Umstaltung begriffen ist. Ich würde also, wenn ich mich in Ihre Seele versetzte, rathen, Ihre Parthie zu ergreifen, und entweder wenn Sie in Italien bleiben, ganz und ausschließend der Landschaftsmalerei sich hinzugeben, oder wenn zu der Poesie die Neigung stärker ist, Italien zu verlassen, und in Deutschland deutsche Poesie zu treiben. Zwischen beiden aber, glaube ich müßten Sie eine Wahl treffen, weil sowohl die Malerei als die Poesie ihren Mann ganz fordert, und hier keine Theilung möglich ist. Fassen Sie bald Ihren Entschluß und unwiederruflich, denn das Leben hat einen kurzen Lenz und die Kunst ist unendlich.

Laßen Sie mich wissen, ob ich Ihren „Fels von Felsenstein“ etwa zum Druck in den Cottaischen Calender geben darf, an dem auch ich arbeite. Ich denke, daß man gern ein annehmliches Honorar dafür bezahlen wird.

Wie gern mein lieber Freund versetzte ich mich zu Ihnen unter Ihren schönen Himmel, in Ihre herrliche Natur, und an Ihr eigenes liebendes Herz, wenn der Körper so leicht den Wünschen folgen könnte. Aber ein unermeßlicher Raum liegt zwischen uns und ich kann mit meiner Gesundheit keine solche Probe machen.

Ich umarme Sie mit der herzlichsten Liebe, und sehe einem Worte des Andenkens von Ihnen mit Sehnsucht entgegen.

Ewig der Ihrige

Schiller.