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Schiller an Rudolf Zumsteeg, 19. Januar 1784

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Mannheim d. 19. Jenner 84.

Allerdings l. Freund, verdien ich Vorwürfe von Dir, daß ich schon mehrere Briefe von Dir unbeantwortet gelaßen, und nichts als meine Krankheit und Überhäufung von Geschäften kann mich entschuldigen. Zu Deiner Genugthuung kann ich Dir sagen, daß Nachläßigkeit im Schreiben die allgemeine Klage, sogar meiner Familie, über mich ist, und sich also, wenigstens auf meine Freundschaft, nicht daraus schließen läßt. Weggerechnet, daß ich in weitläuftige Correspondenzen verwikelt bin, hat mich vorzüglich die mühsame Umschmelzung meines Fiesko für Teutsche Theater, die ich in öffentlichen Zeitungen versprochen, und, um Wort zu halten sogar in meinen fieberfreien Augenbliken vornehmen mußte, von den angenehmsten Pflichten gegen meine Freunde zurükgezogen, unter denen Du mein lieber gewiß nicht der lezte bist. Vergib mir Das, wie Du mir schon so manches vergeben hast, und glaube mit Überzeugung, daß ich die Ungeduld und Wärme, womit du unsre Freundschaft anfrischen woltest, in jeder Rüksicht zu schäzen weis. Also genug von Diesem.

Du schreibst mir, sehr schmeichelhaft, daß Dich alles, was mir wiederfahre, sehr warm intereßiere – Sei versichert, daß ich in eben dem Fall bin. Ohnmöglich kann mir also Deine Verheuratung – eine grose Epoche unsers Schiksals – Kleinigkeit seyn. Muthe mir indeßen nicht zu daß ich hier auskrame, was ich allenfalls über diesen Punkt denke – sondern nimm meinen wahren und warmen Glükwünsch deßwegen an. In etwas glaube ich Deine Frau zu kennen – und auch dieses wenige berechtigt mich, Deiner Wahl meinen ganzen Beifall zu geben. Sei mit ihr glüklich, theurer Freund, und handle auch so, daß sie niemalen aufhöre, es mir Dir zu seyn. An eine Person, die mit uns Freuden und Leiden theilt, die unsre Gefühlen entgegenkommt, und sich so innig, so biegsam an unsre Launen schmiegt, gekettet zu seyn – an ihrer Brust unsre Seele von tausend Zerstreuungen, tausend wilden Wünschen, und unbändigen Leidenschaft abzuspannen – und alle Bitterkeiten des Glüks im Genuß der Familie zu verträumen, ist wahre Wonne des Lebens, um die ich Dich von ganzem Herzen beneide.

Aber wie in aller Welt kömmst Du dazu, mich auf dem Weeg zur Ehe zu glauben? Mich? – So vortheilhaft ich auch von Verbindungen dieser Art denke, so wenig kann ich doch in meiner gegenwärtigen Lage davon Gebrauch machen, denn mein Schiksal, so sehr ich auch wirklich damit zufrieden bin, ich doch nur ein angenehmer Traum meiner Jugend, den ich nie entschloßen war, ewig zu machen. Mein gegenwärtiges Leben taugt unvergleichlich für meine 24 Jahre, aber wird es mich auch im 30gsten noch reizen? Vielleicht darf ich mir einen kleinen Anspruch auf das, was man Glük heißt, erlauben – bedenke selbst wie mich eine Heurat von der Bahn zu demselbigen ablenken würde. Zwar habe ich über ein großes Glük meine gewiße Capricen – doch auch bei der grösten Gleichgültigkeit gegen Ruhm und glänzende Schiksale wäre eine Verheuratung mein Fall nicht, denn mein ungestümer Kopf und warmes Blut würde noch jezt keine Frau glüklich machen.

Nun lieber Freund erlaube mir auch eine kleine Frage. Hast Du alle Deine Leidenschaften auf Deine Frau verpflanzt, oder allenfalls noch einige glimmende Funken für den Künstler zurükbehalten? Wird die Welt ihre grosen Erwartungen von dir zurüknehmen müßen? oder wirst Du zwischen den Ansprüchen des Genies und Deiner Louise (so heißt sie doch) eine glükliche Theilung machen? – Ich habe Dein Gesicht für Ruhm und Unsterblichkeit glühen gesehen – Dein Ehrgeiz und Dein Talent sollen mir für meine Hoffnungen bürgen.

Billig erwartest Du, daß ich Dir meine Schiksale unter fremdem Himmel mittheile, denn mein Leben hat ohnehin die Farbe eines Romans, und mein sonderbarer Kopf läßt freilich auf sonderbare Situazionen schließen – aber für Briefe ist dieses Theam zu weitläuftig, und vielleicht auch zu gefärlich. Jezt lebe ich zu Mannheim in einem angenehmen dichtrischen Taumel – KurPfalz ist mein Vaterland, denn durch meine Aufnahme in die gelehrte Gesellschaft, deren Protector der Curfürst ist, bin ich nazionalisiert, und kurfürstlich Pfalz bairischer Unterthan. Mein Clima ist das Theater, in dem ich lebe und webe, und meine Leidenschaft ist glüklicherweise auch mein Amt.

Am 11ten des Monats ist mein Fiesco mit allem Pomp hier gegeben worden, nächsten Sontag wird er wiederhohlt. In 3 Wochen kannst Du mein neues Stük: Louise Millerin gedrukt haben. Wenn Du, mein Bester, in Gesellschaft Deiner Frau, wärend den jezigen Carnevals Lustbarkeiten hieherfliegen könntest – An Vergnügen wollt ich Dirs nicht fehlen laßen, und mit den Unkosten wollten wir schon fertig werden. Benda bringt schon den ganzen Winter bei uns zu, und im öffentlichen Conzert könntest Du Dich hören laßen. Meine Räuber werden am 8ten gegeben, und noch andere grose Stüke, Die Dich gewiß auf das schönste zerstreuen würden. Tanzen kannst Du auf den Vauxhalls nach Lust. Überleg es und berede noch andere Freunde dazu.

Jezt lebe wol, und küße in meinem Namen Deine Frau – Eifersüchtig wirst Du doch nicht werden? – Eingeschlossene Briefe wirst Du so gut seyn, zu bestellen. Deinem Maultrommelvirtuosen ist durch H. Conzertmeister Fränzel protection wiederfahren.

Noch einmal lebewol, empfiehl mich allen meinen ehmaligen Freunden und liebe wie bisher Deinen

Schiller.