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Schiller an Wilhelm Petersen, 1. Juli 1784

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Mannheim, d. 1. July 84.

Ich bilde mir fast ein, daß Du dasjenige, was ich Dir jezt schreibe, entweder durch den Weg der Zeitung oder durch den Geheim-Secretair Klein schon erfahren haben wirst. Weil aber die Sache einen, Dir und mir nicht unmerkwürdigen, Gang genommen hat, so ist Dirs vielleicht nicht ganz unangenehm, etwas näheres davon durch mich zu erfahren.

Deine Abhandlung über die Preißfrage unserer T. Gesellschaft buhlte mit einer andern, die den Professor Meister in Zürich zum Verfasser hat, um den Preiß. Die Mehrheit entschied für die leztere, doch mit dem Zusaz, daß die dienige In magnis voluisse sat est an innerer Vortreflichkeit ihr so nahe gränze, daß es der kurpfälzischen Gesellschaft zur Ehre gereiche sie nicht ohne anständige Belohnung zu lassen. Du bekommst also ein Accessit, eine goldene Medaille von 25 Dukaten, die Dir sehr wol gefallen wird. Der Curfürst sezt jährlich so viel für eine Preißfrage aus, weil aber schon 3 Jahre keine Abhandlung gekrönt zu werden verdiente, stieg die Summe zu 75. Deine Medaille bezahlt die Kasse der T. Gesellschaft, sie darf dir also um so viel werther seyn, da sie ein außerordentlicher Schritt, und eine ganz freiwillige Ausgabe der Gesellschaft ist, die sie sich gar wol hätte ersparen können, wenn sie weniger gerecht gegen dich gewesen wäre.

Was Dir aber bei dem ganzen Vorgang das interessanteste seyn könnte, will ich dir jezt erzählen. Die Gesellschaft hatte schon angefangen, Verzicht auf die Preißaustheilung zu thun, da alle vorher eingelaufene Aufsäze ohne Werth waren, als die deinige und die Deines Nebenbuhlers eingeschikt wurden. Schon der Erste Anblik kündigte eine bessere Feder an. Ich sah sie zu der Zeit noch nicht. Nach einem Beschluß der Gesellschaft, der in solchen Fällen gewöhnlich ist, wurden drei Mitglieder ausgeschossen, diese beiden Schriften zu beurtheilen, und in voller Sizung der Gesellschaft darüber zu referieren. Ein sonderbarer Zufall war Schuld, daß ich der dritte unter diesen 3en war. Mieg und der hiesige Hofkaplan Sambuga (Du wirst natürlicherweise keinen Gebrauch von diesem Vertrauen machen) waren die andern. Als mir Mieg deine Abhandlung übergab, wie erstaunte ich, Deine Hand zu erkennen. Eine sonderbare Empfindung war es für mich, wenn ich jezt den seltsamen Lauf unserer Schiksale überlegte, der mich an einem fremden Ort, und in solchen Beziehungen auf Dich wirken lassen wollte. Mir fielen alle die vergangene Abende ein, die wir in Gesellschaft so vertraulich verlebten, alle die Gespräche, die wir da führten, die Entwürfe alle, die wir da schmiedeten. Ich mußte in die Pfalz exulieren, ich mußte Mitglied dieser Gesellschaft werden, um dir vielleicht darin dienen zu können. Doch das leztere ist noch zweifelhaft. Ich las Deine Abhandlung einigen Gliedern der Gesellschaft in einem Privatbesuch vor. Sie gefiel außerordentlich. Ich las die andere vor. Man zweifelte, schwankte, und der gefällige Stil der lezten, bei gleichem Werthe, entschied. Das war auch meine Meinung. Offenherzig gestehe ich Dir das, denn ich hasse die lächerliche Sucht, sich eines Verdienstes um jemand zu rühmen, das man nicht hatte. Es war mir leid, daß meine erste Hoffnung, dir eine solche Freude zu machen, zu Trümmern ging. Mit vollem Herzen hatte ich schon einen Brief an dich aufgesezt, worin ich Dir schrieb, Du würdest den Preis bekommen, aber die zwote Abhandlung machte mich wankend. Ich wurde Dir abtrünnig; vielleicht daß ich nicht die Freundschaft allein, sondern auch wirklich die Wahrheit beleidigte, aber genug, ich urtheilte nach meinem Kopf und Gefühl, und zwang mich, gerecht zu seyn. Wenigstens hielte ich die andre für die Bessre, und die Bessere sollte gekrönt seyn. Soweit habe ich gegen Dich gehandelt. Ueberzeugt aber, daß die Deinige fürtreflich, und (im Fall die andre nicht eingelaufen) untadelhaft wäre, drang ich mit allem Einfluß den ich allenfalls habe, und allen Gründen, die ich aufrufen konnte, darauf, den Preiß zu theilen, und Dir 25, dem andern 50 Dukaten zuzuerkennen. Ohne die geringste Verabredung war auch Mieg ganz einer Meinung mit mir. die Gesellschaft war unschlüssig, und ich hatte die Freude durch eine detaillirte Critik, Auszug, und Gegeneinanderstellung beider, das Conclusum zu Stand zu bringen, daß Dir von Seiten der gesellschaftl. Cassa 25 Ducaten extra zugesprochen wurden. Diß ohngefähr ist mein geringes Verdienst, aber ich gestehe Dir ausdrüklich, nicht der Rüksicht auf unsere Bekanntschaft, bloß meiner Ueberzeugung hast Du es zu danken. Eben das würde ich einem Fremden gethan haben. Deine Abhandlung ist fürtreflich. Mein richterlich Amt hat mich in die Nothwendigkeit gesezt, sie zu studieren, und ich danke Dir für Deine Belehrung. Den Preiß wirst Du bekommen, oder schon haben. Er ist sehr einfach und edel.

Nun noch eine Erklärung. Wenn es allenfalls Deine Konvenienz seyn sollte (und ich glaube es beinahe) unser Mitglied zu werden, so schriebe mirs und rechne auf meine kräftige Mitwirkung. Ich habe so ziemlich Einfluß auf die Mehresten, und der Präsident ist ganz auf meiner Seite. Vorläufig könnte ich Dirs gewiß versprechen. Ist es dir also ernst, so seze ein Schreiben an mich auf, worinn Du mich bittest, der Gesellschaft in Deinem Nahmen für die Ehrenmünze zu danken, und den Wunsch äußerst, darein aufgenommen zu werden. Diesen Brief lese ich jedem, der Gewicht hat, einzeln vor, und stimme die Gemüther, daß ich der Beistimmung versichert bin, wenn ich ihn öffentlich vorlese. Den Präsidenten habe ich schon sondiert, und seine Stimme hast Du. Das einzige, warum ich Dich bitte, ist, sey in Deinem Brief an mich ein bischen fremd, sonst möchte die Gesellschaft, die es noch nicht vergessen hat, wie ich für Dein Accessit stritt, aus unserer Vertraulichkeit auf meine Partheilichkeit schließen, und es in Zukunft bleiben lassen, mir Sachen von solcher Wichtigkeit zu übergeben. Hoffentlich wirst du aber auch dem Freund ein Zettelgen beilegen.

Die Vortheile, welche Dir eine solche Verbindung gewöhrt, sind nicht ganz unbeträchtlich. Weggerechnet, was sie überhaupt in Deinem Verhältniß zu deinem Besten wirken mus, so kommst du dadurch mit den besten Gelehrten in der Pfalz in nähern Zusammenhang, und wenn Du hieher kommst bist Du kein Fremder mehr. Du hast Siz und Stimme in unsern Sizungen, die kurfürstliche Bibliothek steht dir frei (denn jedes Mitglied kann Bücher aus derselben nach Hauß verlangen, und was ich begehre und nicht da ist, mus angeschafft werden) für jeden gedrukten Bogen, in gesellschaftlichen Aufsäzen erhältst du drei Dukaten und andere Kleinigkeiten mehr. Mir war die T. Gesellschaft äußerst angenehm, denn durch sie habe ich wieder ein Vaterland, und die beßre Verbindungen, die mir jezt doppelt zu statten kommen, da ich entschlossen bin auf Michaelis in Heidelberg Doktor zu werden, und mich auf immer hier zu etabliren.

Schreibe mir bald, liebster Freund, und laß mich auch mehreres von deinen Umständen wissen. Unserm lieben Abel empfielst Du mich, das versteht sich. Das gescheideste wäre, wenn ihr beide mich diesen Sommer hier überraschtet. – Hovens Stimme ist verhallet in Selma. Ich habe ihm geschrieben, welches Verdienst meine Faulheit sehr hoch anrechnet, und noch war ich so glüklich nicht, Antwort von ihm zu erhalten. Reib ihm das ein bischen unter die Nase. Er könnte jezt ein paar 100 Gulden wegfangen, denn die T. Gesellschaft hat auf das beste Lustspiel einen Preiß gesezt, weil unsere Verordnungen wollen, daß Sprache und schöne Wissenschaften alle Jahre alternieren. Mein Papier geht zu Ende also lebe wohl.

F. Schiller.