HomeBriefeBriefwechsel mit Wilhelm v. HumboldtSchiller an Wilhelm v. Humboldt, 12. September 1803

Schiller an Wilhelm v. Humboldt, 12. September 1803

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Weimar 12. Sept. [Montag] 1803.

Ihr schmerzlicher Verlust, mein theurer Freund, deßen ganze Größe wir recht wohl empfinden, da wir das liebe Kind vor zwey Jahren so hofnungsvoll sich entwickeln gesehen, hat uns beide aufs innigste betrübt, und ich gestehe gern, daß ich keinen Trost dagegen weiß, als den die Zeit, die alle Wunden endlich heilt, herbeiführen wird. Jetzt kann ich nur darüber mit Ihnen klagen, und Ihren ganzen Kummer mit Ihnen theilen. Sie waren berechtigt zu den schönsten Hofnungen; wirklich vereinigte sich alles, diesem Kinde ein glückliches Loos zu versprechen, und nun muß jede Hofnung so gewaltsam zerstört werden. Auch mich hat, wie Sie, biß jezt noch kein harter Schlag betroffen, und ich kann mich nicht erwehren, bei dieser Gelegenheit auch in meinen eigenen Busen zu greifen und mir den möglichen Verlust deßen, was mir theuer ist, zu denken. Bei meiner schwachen Gesundheit hatte sich die feste Ueberzeugung in mir gebildet, daß ich nicht in diesen Fall kommen würde, aber Ihr Verlust, mein theurer Freund, überführt mich, daß alle Berechnungen trügen.

Wenn das italienische Clima doch vielleicht zu angreifend für Ihre Kinder und die gute Li wäre oder werden könnte, so wäre es doch vielleicht beßer, alle jene Verhältniße aufzugeben, da Sie doch einmal Herr Ihres Schicksals sind. Es haben so viele Deutsche schon ein frühes Grab dort gefunden. Ich habe mich über Fernows Aussehen, der seit 8 Tagen hier angekommen ist, wirklich erschrocken, so veraltet erschien er mir, und hat vor seinem vierzigsten Jahre schon graue Haare. Freilich brachte er ein Fieber mit, aber man sah doch, wie sehr das Clima ihm muß zugesetzt haben.

Ich ersehe aus Ihrem Briefe nicht, liebster Freund, ob der meinige, den ich vor etwa 4 Wochen an Sie abgesendet, sicher angekommen war, es ist aber kaum möglich. Vielleicht wäre der junge Mann, den ich darinn zum Hofmeister vorschlug, dennoch zu brauchen, doch will ich deßhalb noch Ihre Antwort erwarten. Da leider jezt andere Rücksichten eintreten, da der Theodor noch in einem Alter ist, wo er im Nothfall auch noch ein halbes Jahr lang des Hofmeisters entrathen kann, so würde ich rathen, nichts zu übereilen und einen recht tüchtigen Menschen ausfindig zu machen, wozu Zeit nöthig ist.

Riemer hat uns keine üble Meinung von sich erweckt und Goethe ist so gut für ihn gestimmt worden, daß er ihn diesen Winter hier behält um seinen August im Griechischen zu unterrichten. Fernow geht unter keinen guten Auspicien nach Jena, da die Universität in diesem Augenblick von allen Seiten Verluste erleidet, Loder, Paulus, Hufeland und Schütz mit der ganzen Litt. Zeitung auswandern u Grießbach hofnungslos krank ist.

Mögen diese Zeilen Sie und die liebe gute Caroline in einer ruhigen Faßung finden! Aber wir wünschen sehr bald ein Wort von Karolinens Hand, um uns zu überzeugen, daß sie sich über diesen schweren Schlag erhoben habe – eine starke Seele bei aller feinen zarten Fühlbarkeit ist doch das glücklichste Geschenk des Himmels, es ist ihr verliehen, und so wird sie das unabänderliche zu ertragen wißen.

Geben Sie uns wo möglich bald wieder Nachricht; warum müssen wir jetzt so weit von einander seyn, unser herzlicher Antheil würde Ihnen Ihren Kummer erleichtern! Erhalten Sie Ihre Gesundheit. Ewig d Ihrige

Sch.