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Die Räuber – Text: 4. Akt, 5. Szene

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MOOR nimmt die Laute und spielt.

Brutus

Sei willkommen, friedliches Gefilde!
Nimm den letzten aller Römer auf!
Von Philippi, wo die Mordschlacht brüllte,
Schleicht mein gramgebeugter Lauf.
Cassius, wo bist du? – Rom verloren!
Hingewürgt mein brüderliches Heer,
Meine Zuflucht zu des Todes Toren!
Keine Welt für Brutus mehr!

Cäsar

Wer, mit Schritten eines Niebesiegten,
Wandert dort vom Felsenhang? –
Ha! wenn meine Augen mir nicht lügten?
Das ist eines Römers Gang. –
Tibersohn – von wannen deine Reise?
Dauert noch die Siebenhügelstadt?
Oft geweinet hab ich um die Waise,
Daß sie nimmer einen Cäsar hat.

Brutus

Ha, du mit der dreiundzwanzigfachen Wunde!
Wer rief Toter dich ans Licht?
Schaudre rückwärts, zu des Orkus Schlunde,
Stolzer Weiner! – Triumphiere nicht!
Auf Philippis eisernem Altare
Raucht der Freiheit letztes Opferblut;
Rom verröchelt über Brutus‘ Bahre,
Brutus geht zu Minos – Kreuch in deine Flut!

Cäsar

O ein Todesstoß von Brutus‘ Schwerte!
Auch du – Brutus – du?
Sohn – es war dein Vater – Sohn – die Erde
Wär gefallen dir als Erbe zu.
Geh – du bist der größte Römer worden,
Da in Vaters Brust dein Eisen drang;
Geh – und heul es bis zu jenen Pforten:
Brutus ist der größte Römer worden.
Da in Vaters Brust sein Eisen drang.
Geh – du weißts nun, was an Lethes Strande
Mich noch bannte –
Schwarzer Schiffer stoß vom Lande!

Brutus

Vater halt! – Im ganzen Sonnenreiche
Hab ich einen nur gekannt,
Der dem großen Cäsar gleiche.
Diesen einen hast du Sohn genannt.
Nur ein Cäsar mochte Rom verderben
Nur nicht Brutus mochte Cäsar stehn.
Wo ein Brutus lebt, muß Cäsar sterben,
Geh du linkswärts, laß mich rechtswärts gehn.

Er legt die Laute hin, geht tiefdenkend auf und nieder.

Wer mir Bürge wäre? – – Es ist alles so finster – verworrene Labyrinthe – kein Ausgang – kein leitendes Gestirn – Wenns aus wäre mit diesem letzten Odemzug – Aus wie ein schales Marionettenspiel – Aber wofür der heiße Hunger nach Glückseligkeit? Wofür das Ideal einer unerreichten Vollkommenheit? Das Hinausschieben unvollendeter Plane? – wenn der armselige Druck dieses armseligen Dings Die Pistole vors Gesicht haltend. den Weisen dem Toren – den Feigen dem Tapfern – den Edlen dem Schelmen gleich macht? – Es ist doch eine so göttliche Harmonie in der seelenlosen Natur, warum sollte dieser Mißklang in der vernünftigen sein? – Nein! Nein! es ist etwas mehr, denn ich bin noch nicht glücklich gewesen.

Glaubt ihr, ich werde zittern? Geister meiner Erwürgten! ich werde nicht zittern! Heftig zitternd. – Euer banges Sterbegewinsel – euer schwarzgewürgtes Gesicht – eure fürchterlich klaffenden Wunden sind ja nur Glieder einer unzerbrechlichen Kette des Schicksals, und hängen zuletzt an meinen Feierabenden, an den Launen meiner Ammen und Hofmeister, am Temperament meines Vaters, am Blut meiner Mutter – Von Schauer geschüttelt. Warum hat mein Perillus einen Ochsen aus mir gemacht, daß die Menschheit in meinem glühenden Bauche bratet?

Er setzt die Pistole an. Zeit und Ewigkeit – gekettet aneinander durch ein einzig Moment! – Grauser Schlüssel, der das Gefängnis des Lebens hinter mir schließt, und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen Nacht – sage mir – o sage mir – wohin – wohin wirst du mich führen? – Fremdes, nie umsegeltes Land! – Siehe, die Menschheit erschlappt unter diesem Bilde, die Spannkraft des Endlichen läßt nach, und die Phantasei, der mutwillige Affe der Sinne, gaukelt unserer Leichtgläubigkeit seltsame Schatten vor – Nein! Nein! Ein Mann muß nicht straucheln – Sei, wie du willt, namenloses Jenseits – bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu – Sei wie du willt, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme. – Außendinge sind nur der Anstrich des Manns – Ich bin mein Himmel und meine Hölle.

Wenn Du mir irgendeinen eingeäscherten Weltkreis allein ließest, den Du aus deinen Augen verbannt hast, wo die einsame Nacht, und die ewige Wüste meine Aussichten sind? – Ich würde dann die schweigende Öde mit meinen Phantasien bevölkern, und hätte die Ewigkeit zur Muße, das verworrene Bild des allgemeinen Elends zu zergliedern. – Oder willst Du mich durch immer neue Geburten und immer neue Schauplätze des Elends von Stufe zu Stufe – zur Vernichtung – führen? Kann ich nicht die Lebensfäden, die mir jenseits gewoben sind, so leicht zerreißen wie diesen? – Du kannst mich zu nichts machen – Diese Freiheit kannst Du mir nicht nehmen. Er lädt die Pistole. Plötzlich hält er inn. Und soll ich für Furcht eines qualvollen Lebens sterben? – Soll ich dem Elend den Sieg über mich einräumen? – Nein! ich wills dulden! Er wirft die Pistole weg. Die Qual erlahme an meinem Stolz! Ich wills vollenden.

Es wird immer finstrer.

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