HomeText: Die Räuber4. AktDie Räuber – Text: 4. Akt, 5. Szene

Die Räuber – Text: 4. Akt, 5. Szene

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Hermann, der durch den Wald kommt.

HERMANN. Horch! horch! grausig heulet der Kauz – zwölf schlägts drüben im Dorf – wohl, wohl – das Bubenstück schläft – in dieser Wilde kein Lauscher. Tritt an das Schloß und pocht. Komm herauf, Jammermann, Turmbewohner! – Deine Mahlzeit ist bereitet.

MOOR sachte zurücktretend. Was soll das bedeuten?

EINE STIMME aus dem Schloß. Wer pocht da? He? Bist dus, Hermann mein Rabe?

HERMANN. Bins Hermann dein Rabe. Steig herauf ans Gitter und iß. Eulen schreien. Fürchterlich trillern deine Schlafkameraden, Alter – dir schmeckt?

DIE STIMME. Hungerte mich sehr. Habe Dank, Rabensender fürs Brot in der Wüste! – Und wie gehts meinem lieben Kind, Hermann?

HERMANN. Stille – Horch – Geräusch wie von Schnarchenden! Hörst du nicht was?

STIMME. Wie? Hörst du etwas?

HERMANN. Den seufzenden Windlaut durch die Ritzen des Turms – eine Nachtmusik, davon einem die Zähn klappern, und die Nägel blau werden – Horch, noch einmal – Immer ist mir, als hört ich ein Schnarchen. – Du hast Gesellschaft, Alter – Hu hu hu!

STIMME. Siehst du etwas?

HERMANN. Leb wohl – leb wohl – Grausig ist diese Stätte – Steig ab ins Loch – droben dein Helfer, dein Rächer. – Verfluchter Sohn! Will fliehen.

MOOR mit Entsetzen hervortretend. Steh!

HERMANN schreiend. Oh mir!

MOOR. Steh, sag ich!

HERMANN. Weh! weh! weh! Nun ist alles verraten!

MOOR. Steh! Rede! Wer bist du? Was hast du hier zu tun? Rede!

HERMANN. Erbarmen o Erbarmen, gestrenger Herr – Nur ein Wort höret an, eh Ihr mich umbringt.

MOOR indem er den Degen zieht. Was werd ich hören?

HERMANN. Wohl habt ihr mirs beim Leben verboten – ich konnt nicht anders – durft nicht anders – im Himmel ein Gott – Euer leiblicher Vater dort – mich jammerte sein – Stecht mich nieder!

MOOR. Hier steckt ein Geheimnis – heraus! Sprich! Ich will alles wissen.

DIE STIMME aus dem Schloß. Weh! Weh! Bist dus, Hermann, der da redet? Mit wem redst du, Hermann?

MOOR. Drunten noch jemand – Was geht hier vor? Läuft dem Turme zu. Ists ein Gefangener, den die Menschen abschüttelten – Ich will seine Ketten lösen. – Stimme! noch einmal! Wo ist die Türe?

HERMANN. O, habt Barmherzigkeit, Herr – dringt nicht weiter, Herr – geht aus Erbarmen vorüber. Verrennt ihm den Weg.

MOOR. Vierfach geschlossen! – Weg da – Es muß heraus – Itzt zum ersten Mal komm mir zu Hülfe, Dieberei! Er nimmt Brechinstrumente und öffnet das Gittertor. Aus dem Grunde steigt ein Alter, ausgemergelt wie ein Gerippe.

DER ALTE. Erbarmen einem Elenden! Erbarmen!

MOOR springt erschrocken zurück. Das ist meines Vaters Stimme!

DER ALTE MOOR. Habe Dank, o Gott! Erschienen ist die Stunde der Erlösung.

MOOR. Geist des alten Moors! Was hat dich beunruhigt in deinem Grab? Hast du eine Sünde in jene Welt geschleppt, die dir den Eingang in die Pforten des Paradieses verrammelt? Ich will Messen lesen lassen, den irrenden Geist in seine Heimat zu senden. Hast du das Gold der Witwen und Waisen unter die Erde vergraben, das dich zu dieser mitternächtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich will den unterirdischen Schatz aus den Klauen des Zauberdrachen reißen, und wenn er tausend rote Flammen auf mich speit, und seine spitzen Zähne gegen meinen Degen bleckt, oder kommst du, auf meine Fragen die Rätsel der Ewigkeit zu entfalten? Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht nicht.

DER ALTE MOOR. Ich bin kein Geist. Taste mich an, ich lebe, oh ein elendes erbärmliches Leben!

MOOR. Was? Du bist nicht begraben worden?

DER ALTE MOOR. Ich bin begraben worden – das heißt: ein toter Hund liegt in meiner Väter Gruft; und ich – drei volle Monde schmacht ich schon in diesem finstern unterirdischen Gewölbe, von keinem Strahle beschienen, von keinem warmen Lüftchen angeweht, von keinem Freunde besucht, wo wilde Raben krächzen, und mitternächtliche Uhus heulen –

MOOR. Himmel und Erde! Wer hat das getan?

DER ALTE MOOR. Verfluch ihn nicht! – Das hat mein Sohn Franz getan.

MOOR. Franz? Franz? Oh ewiges Chaos!

DER ALTE MOOR. Wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz hast, Erlöser, den ich nicht kenne, o so höre den Jammer eines Vaters, den ihm seine Söhne bereitet haben – drei Monden schon hab ichs tauben Felsenwänden zugewinselt, aber ein hohler Widerhall äffte meine Klagen nur nach. Darum, wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz hast –

MOOR. Diese Aufforderung könnte die wilden Bestien aus ihren Löchern hervorrufen!

DER ALTE MOOR. Ich lag eben auf dem Siechbett, hatte kaum angefangen, aus einer schweren Krankheit etwas Kräfte zu sammeln, so führte man einen Mann zu mir, der vorgab, mein Erstgeborner sei gestorben in der Schlacht, und mit sich brachte ein Schwert, gefärbt mit seinem Blut, und sein letztes Lebewohl, und daß ihn mein Fluch gejagt hätte in Kampf und Tod und Verzweiflung.

MOOR heftig von ihm abgewandt. Es ist offenbar!

DER ALTE MOOR. Höre weiter! Ich ward unmächtig bei der Botschaft. Man muß mich für tot gehalten haben, denn als ich wieder zu mir selber kam, lag ich schon in der Bahre, und ins Leichentuch gewickelt wie ein Toter. Ich kratzte an dem Deckel der Bahre. Er ward aufgetan. Es war finstere Nacht, mein Sohn Franz stand vor mir, – Was? rief er mit entsetzlicher Stimme, willst du dann ewig leben? – und gleich flog der Sargdeckel wieder zu. Der Donner dieser Worte hatte mich meiner Sinne beraubt, als ich wieder erwachte, fühlt ich den Sarg erhoben und fortgeführt in einem Wagen eine halbe Stunde lang. Endlich ward er geöffnet – ich stand am Eingang dieses Gewölbes, mein Sohn vor mir, und der Mann, der mir das blutige Schwert von Karln gebracht hatte – zehnmal umfaßt ich seine Knie, und bat und flehte, und umfaßte sie und beschwur – das Flehen seines Vaters reichte nicht an sein Herz – Hinab mit dem Balg! donnerte es von seinem Munde, er hat genug gelebt, und hinab ward ich gestoßen ohn Erbarmen, und mein Sohn Franz schloß hinter mir zu.

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