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Don Carlos – 1. Akt, 5. Auftritt

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Carlos. Sie haben nie geliebt?

Königin.
– Ich liebe nicht mehr.

Carlos.
Weil es Ihr Herz, weil es Ihr Eid verbietet?

Königin.
Verlassen Sie mich, Prinz, und kommen Sie
Zu keiner solchen Unterredung wieder.

Carlos.
Weil es Ihr Eid, weil es Ihr Herz verbietet?

Königin.
Weil meine Pflicht – – Unglücklicher, wozu
Die traurige Zergliederung des Schicksals,
Dem Sie und ich gehorchen müssen?

Carlos.
Müssen?
Gehorchen müssen?

Königin.
Wie? Was wollen Sie
Mit diesem feierlichen Ton?

Carlos.
So viel,
Daß Carlos nicht gesonnen ist, zu müssen,
Wo er zu wollen hat; daß Carlos nicht
Gesonnen ist, der Unglückseligste
In diesem Reich zu bleiben, wenn es ihm
Nichts als den Umsturz der Gesetze kostet,
Der Glücklichste zu sein.

Königin.
Versteh‘ ich Sie?
Sie hoffen noch? Sie wagen es, zu hoffen,
Wo Alles, Alles schon verloren ist?

Carlos.
Ich gebe nichts verloren, als die Todten.

Königin.
Auf mich, auf Ihre Mutter, hoffen Sie?
(Sie sieht ihn lange und durchdringend an – dann mit Würde und Ernst:)
Warum nicht? O, der neu erwählte König
Kann mehr als das – kann die Verordnungen
Des abgeschiednen durch das Feu’r vertilgen,
Kann seine Bilder stürzen, kann sogar –
Wer hindert ihn? – die Mumie des todten
Aus ihrer Ruhe zu Escurial
Hervor ans Licht der Sonne reißen, seinen
Entweihten Staub in die vier Winde streun
Und dann zuletzt, um würdig zu vollenden –

Carlos.
Um Gottes willen, reden Sie nicht aus.

Königin.
Zuletzt noch mit der Mutter sich vermählen.

Carlos.
Verfluchter Sohn! (Er steht einen Augenblick starr und sprachlos.)
Ja, es ist aus. Jetzt ist
Es aus – Ich fühle klar und helle, was
Mir ewig, ewig dunkel bleiben sollte.
Sie sind für mich dahin – dahin – dahin –
Auf immerdar! – Jetzt ist der Wurf gefallen.
Sie sind für mich verloren – O, in diesem
Gefühl liegt Hölle – Hölle liegt im andern,
Sie zu besitzen. – Weh‘! ich fass‘ es nicht,
Und meine Nerven fangen an zu reißen.

Königin.
Beklagenswerther, theurer Carl! Ich fühle –
Ganz fühl‘ ich sie, die namenlose Pein,
Die jetzt in Ihrem Busen tobt. Unendlich,
Wie Ihre Liebe, ist Ihr Schmerz. Unendlich,
Wie er, ist auch der Ruhm, ihn zu besiegen.
Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis
Ist dieses hohen, starken Kämpfers werth,
Des Jünglings werth, durch dessen Herz die Tugend
So vieler königlicher Ahnen rollt.
Ermannen Sie sich, edler Prinz. – Der Enkel
Des großen Carls fängt frisch zu ringen an,
Wo andrer Menschen Kinder muthlos enden.

Carlos.
Zu spät! O Gott, es ist zu spät!

Königin.
Ein Mann
Zu sein? O Carl! wie groß wird unsre Tugend,
Wenn unser Herz bei ihrer Uebung bricht!
Hoch stellte Sie die Vorsicht – höher, Prinz,
Als Millionen Ihrer andern Brüder.
Parteilich gab sie ihrem Liebling, was
Sie andern nahm, und Millionen fragen:
Verdiente Der im Mutterleibe schon,
Mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?
Auf, retten Sie des Himmels Billigkeit!
Verdienen Sie, der Welt voran zu gehn,
Und opfern Sie, was Keiner opferte!

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