HomeText: Wilhelm Tell2. AktWilhelm Tell – Text: 2. Aufzug, 1. Szene

Wilhelm Tell – Text: 2. Aufzug, 1. Szene

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Attinghausen:
Bist du so weise?
Willst heller sehn als deine edeln Väter,
Die um der Freiheit kostbarn Edelstein
Mit Gut und Blut und Heldenkraft gestritten?
– Schiff nach Luzern hinunter, frage dort,
Wie Östreichs Herrschaft lastet auf den Ländern!
Sie werden kommen, unsre Schaf und Rinder
Zu zählen, unsre Alpen abzumessen,
Den Hochflug und das Hochgewilde bannen
In unsern freien Wäldern, ihren Schlagbaum
An unsre Brücken, unsre Tore setzen,
Mit unsrer Armut ihre Länderkäufe,
Mit unserm Blute ihre Kriege zahlen –
– Nein, wenn wir unser Blut dransetzen sollen,
So sei’s für uns – wohlfeiler kaufen wir
Die Freiheit als die Knechtschaft ein!

Rudenz:
Was können wir,
Ein Volk der Hirten gegen Albrechts Heere!

Attinghausen:
Lern dieses Volk der Hirten kennen, Knabe!
Ich kenn’s, ich hab es angeführt in Schlachten,
Ich hab es fechten sehen bei Favenz.
Sie sollen kommen, uns ein Joch aufzwingen,
Das wir entschlossen sind, nicht zu ertragen!
– O lerne fühlen, welches Stamms du bist!
Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein
Die echte Perle deines Wertes hin –
Das Haupt zu heissen eines freien Volks,
Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht,
Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod –
Das sei dein Stolz, des Adels rühme dich –
Die angebornen Bande knüpfe fest,
Ans Vaterland, ans teure, schliess dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen.
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,
Dort in der fremden Welt stehst du allein,
Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.
O komm, du hast uns lang nicht mehr gesehn,
Versuch’s mit uns nur einen Tag – nur heute
Geh nicht nach Altdorf – Hörst du? Heute nicht,
Den einen Tag nur schenke dich den Deinen!

Er fasst seine Hand.

Rudenz:
Ich gab mein Wort – Lasst mich – Ich bin gebunden.

Attinghausen lässt seine Hand los, mit Ernst:
Du bist gebunden – Ja Unglücklicher!
Du bist’s, doch nicht durch Wort und Schwur,
Gebunden bist du durch der Liebe Seile!

Rudenz wendet sich weg.

– Verbirg dich wie du willst. Das Fräulein ist’s
Berta von Bruneck, die zur Herrenburg
Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst.
Das Ritterfräulein willst du dir erwerben
Mit deinem Abfall von dem Land – Betrüg dich nicht!
Dich anzulocken zeigt man dir die Braut
Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.

Rudenz:
Genug hab ich gehört. Gehabt Euch wohl.

Er geht ab.

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