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Wilhelm Tell – Text: 2. Aufzug, 2. Szene

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Alle an ihre Schwerter schlagend:
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder!

Rösselmann tritt in den Ring:
Eh ihr zum Schwerte greift, bedenkt es wohl.
Ihr könnt es friedlich mit dem Kaiser schlichten.
Es kostet euch ein Wort und die Tyrannen,
Die euch jetzt schwer bedrängen, schmeicheln euch.
– Ergreift, was man euch oft geboten hat,
Trennt euch vom Reich, erkennet Östreichs Hoheit –

Auf der Mauer:
Was sagt der Pfarrer? Wir zu Östreich schwören!

Am Bühel:
Hört ihn nicht an!

Winkelried:
Das rät uns ein Verräter,
Ein Feind des Landes!

Reding:
Ruhig Eidgenossen!

Sewa:
Wir Östreich huldigen, nach solcher Schmach!

Von der Flüe:
Wir uns abtrotzen lassen durch Gewalt,
Was wir der Güte weigerten!

Meier:
Dann wären
Wir Sklaven und verdienten es zu sein!

Auf der Mauer:
Der sei gestossen aus dem Recht der Schweizer,
Wer von Ergebung spricht an Österreich!
– Landammann, ich bestehe drauf, dies sei
Das erste Landsgesetz, das wir hier geben.

Melchtal:
So sei’s. Wer von Ergebung spricht an Östreich,
Soll rechtlos sein und aller Ehren bar,
Kein Landmann nehm ihn auf an seinem Feuer.

Alle heben die rechte Hand auf:
Wir wollen es, das sei Gesetz!

Reding nach einer Pause:
Es ist’s.

Rösselmann:
Jetzt seid ihr frei, ihr seid’s durch dies Gesetz,
Nicht durch Gewalt soll Österreich ertrotzen
Was es durch freundlich Werben nicht erhielt –

Jost von Weiler:
Zur Tagesordnung, weiter.

Reding:
Eidgenossen!
Sind alle sanften Mittel auch versucht?
Vielleicht weiss es der König nicht, es ist
Wohl gar sein Wille nicht, was wir erdulden.
Auch dieses letzte sollten wir versuchen,
Erst unsre Klage bringen vor sein Ohr,
Eh wir zum Schwerte greifen. Schrecklich immer
Auch in gerechter Sache ist Gewalt,
Gott hilft nur dann, wenn Menschen nicht mehr helfen.

Stauffacher zu Konrad Hunn:
Nun ist’s an Euch, Bericht zu geben. Redet.

Konrad Hunn:
Ich war zu Rheinfeld an des Kaisers Pfalz,
Wider der Vögte harten Druck zu klagen,
Den Brief zu holen unsrer alten Freiheit,
Den jeder neue König sonst bestätigt.
Die Boten vieler Städte fand ich dort,
Vom schwäb’schen Lande und vom Lauf des Rheins,
Die all erhielten ihre Pergamente,
Und kehrten freudig wieder in ihr Land.
Mich, euren Boten, wies man an die Räte,
Und die entliessen mich mit leerem Trost:
»Der Kaiser habe diesmal keine Zeit,
Er würde sonst einmal wohl an uns denken.«
– Und als ich traurig durch die Säle ging
Der Königsburg, da sah ich Herzog Hansen
In einem Erker weinend stehn, um ihn
Die edeln Herrn von Wart und Tegerfeld.
Die riefen mir und sagten: »Helft euch selbst,
Gerechtigkeit erwartet nicht vom König.
Beraubt er nicht des eignen Bruders Kind,
Und hinterhält ihm sein gerechtes Erbe?
Der Herzog fleht‘ ihn um sein Mütterliches,
Er habe seine Jahre voll, es wäre
Nun Zeit, auch Land und Leute zu regieren.
Was ward ihm zum Bescheid? Ein Kränzlein setzt‘ ihm
Der Kaiser auf: das sei die Zier der Jugend.«

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