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Schiller an Johann Erhard, 26. Mai 1794

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Jena, den 26. May [Montag] 94.

Innliegender Brief, lieber Freund, ist bey mir an Sie abgegeben worden. Möchte er Sie noch in Nürnberg treffen! Wir sind hier glücklich angekommen, und ich sehe nun einer ruhigen Existenz im Schooß einer philosophischen Muße entgegen. Fichte hat bereits seine academische Laufbahn angefangen, und man drängt sich zu seinen Vorlesungen. Ohne Zweifel hat er Ihnen schon selbst sein Programm zugeschickt, sonst würde ich es beygelegt haben.

Möchte nun auch Ihr Schicksal Sie glücklich führen, geliebter Freund, daß Ihre Geisteskräfte sich nicht im Kampf mit den Umständen zu verzehren brauchen. Vor allem folgen Sie meinem Rath, und lassen Sie vor der Hand die arme, unmündige und unreife Menschheit für sich selbst sorgen. Bleiben Sie in der heitern und stillen Region der Ideen, und überlassen Sie es der Zeit, sie ins praktische Leben einzuführen. Und wenn es Sie je kizelt, außer sich zu wirken, so machen Sie den Anfang mit dem physischen, und kuriren die Körper derer von der Gicht und vom Fieber, deren Seelen inkurabel sind.

Bey mir ist ein Plan zu einem großen literarischen Journal im Werke, und wird auch schon mit einem Verleger deßwegen taktiert, zu welchem die besten Köpfe der Nation vereinigt mitwirken sollen. Weil einer dem andern Kredit verschafft, so wird man im Stande seyn, jedem Mitarbeiter größere Anerbietungen zu machen, als bey irgend einem andern Werk möglich ist, und unter 4 Ldors für den Bogen wird das Honorar nicht betragen. Ich zähle dabey sehr auf Ihre Beyträge, lieber Freund. den Plan zum Ganzen will ich Ihnen, sobald er ausgegeben wird, übersenden. Lassen Sie mich Ihre adresse wissen, ehe Sie Nürnberg verlassen. Meine Frau grüßt Sie freundlich und wünscht, daß Sie sie in gutem Andenken behalten mögen.

Ganz der Ihrige

Schiller.