HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 5. Februar 1795

Schiller an Gottfried Körner, 5. Februar 1795

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Jena, den 5. Febr. [Donnerstag] 95.

Nur ein Paar Worte für heute, um Dir zu sagen, daß Dein Aufsatz mir große Freude gemacht hat. Er enthält herrliche Ideen, die so fruchtbar als neu sind, und mich doppelt freuen, da sie dem, was ich über die Kunst überhaupt bei mir festgesetzt habe, so unerwartet begegnen.

Ich bin eben daran, Dir einige Ideen mitzutheilen, die dieser Aufsatz in mir rege machte, und zugleich einige Bedenken, die ich dagegen habe, vorzutragen. Sie betreffen den mittleren Theil des Aufsatzes, der mehrere Dunkelheiten für mich und auch für Humboldt hat, und denen vielleicht noch könnte abgeholfen werden. Zeit und Frist kann ich Dir geben, denn zu dem zweiten Stücke wäre es ohnehin zu spät und wenn ich ihn erst in achtzehn Tagen von hier absende, kann ich ihn noch in das dritte bringen. Nächsten Posttag erhältst Du ihn mit meinen Bemerkungen.

Er ist sehr gut geschrieben, in einem so männlichen, ruhigen und gehaltenen Ton; nur, wie gesagt, fehlt es der Mitte an einiger Klarheit, deren Mangel nicht bloß am Ausdrucke, sondern auch an Auslassung nothwendiger Sätze liegen mag. Ich möchte gern, daß Dein erster Aufsatz in den Horen gleich den Meister ankündigte; und dieser Aufsatz hat alle Erfordernisse dazu, sobald Du ihn von jenen Dunkelheiten befreien willst. Es würde gar nichts schaden, wenn Du hier und da mehr ins Detail gehen und einige Anschauungen unterlegen könntest. Auch däucht mir und Humboldt, daß Du über gewisse allgemeine Begriffe leichter hinweggehen könntest: da doch weder der Ort noch die Gelegenheit erlaubt, soviel zur Deduction derselben zu sagen, daß sie dem weniger kundigen Leser genug einleuchten – doch davon in meinem Nächsten.

Mit meinem Carl ist es recht nach Wunsch gegangen. Er bekam ziemlich viel Blattern, aber mit wenig Fieber und ohne alle üble Zufälle; obgleich in der Fieberzeit ein Spitzzahn sich einstellte. Ich kam ungern an die Inoculation, besonders der Zahnperiode wegen; aber Stark ließ mir keine Ruhe, und nun danke ich ihm sehr dafür. Schon seit acht Tagen ist der Kleine wieder voll Leben und Munterkeit, als wenn nichts begegnet wäre. Auch mit Humboldts Kind ist alles gut gegangen.

Noch etwas von den Horen. Herder gibt auch einen Beitrag zu dem dritten Stück1, und Engel hat schon einen geschickt, im Geschmack der Aufsätze, die im Philosophen für die Welt vorkommen2. Beide werden nebst Schlegel und Goethe im dritten Stück Dir Gesellschaft leisten3. Ich bleibe aus diesem Stücke weg. Inliegender Brief von Herdern kann Schlegel gezeigt werden; laß ihn aber wieder retourgehen, wenn Schlegel ihn gelesen hat. Cotta ist mit dem Absatze der Horen sehr zufrieden. Seit dem 25. Januar schrieb er mir, daß bald 1000 Exemplare bestellt seien. Ueber das erste Stück, das jetzt in Deinen Händen seyn wird, hast Du mir noch nichts geschrieben.

Dein S.