Weimar 12. Sept. [Montag] 1803.
Daß meine Arbeit es ist, die mich am Schreiben gehindert, hast Du wohl errathen, aber deßwegen ist noch nicht viel zu Tage gefördert worden, weil ich leider mit einem verwünschten Stoff zu kämpfen habe, der mich bald anzieht, bald abstößt. Es ist der Wilhelm Tell, an dem ich arbeite, und ich bitte Dich, wenn Du mir einige gute Schriften über die Schweitz weißst, sie mir zu nennen. Ich bin genöthigt, viel darüber zu lesen, weil das Locale an diesem Stoffe soviel bedeutet, und ich möchte gern soviel möglich örtliche Motive nehmen. Wenn mir die Götter günstig sind, das auszuführen was ich im Kopf habe, so soll es ein mächtiges Ding werden, und die Bühnen von Deutschland erschüttern.
Der König von Schweden war hier; er hat mir über meinen 30jährig Krieg und die Achtung, mit der ich darin von den Schweden sprach, viel verbindliches gesagt, und einen schönen Brillantring zum Präsent gemacht1. Es ist dieß der erste Vogel dieser Art, der mir ins Haus geflogen kommt; mögen ihm nur bald andere nachfolgen.
Der König soll dem Carl XII. sehr ähnlich sehen, er hat einen Ausdruck von Kraft in seinem Gesichte, der ihm wohl steht, sein Benehmen ist gefällig und er weiß sich auszudrücken. Leider habe ich bloß eine französische Conversation mit ihm führen können, wo mir die Uebung fehlt; und so konnte ich mich auf nichts wichtiges einlassen.
Unser Erbprinz ist nun wirklich in Petersburg und die Verlobung mit der Großfürstin ist glücklich vor sich gegangen, welches mich auch meines Schwagers wegen freut, der viel Noth dabei gehabt hat, ehe es soweit gekommen.
Deine Schilderung von Herdern stellt ihn mir ganz dar, er ist zu einem vornehmen katholischen Prälaten gebohren, genialisch flach, und oratorisch geschmeidig, wo er gefallen will.
Zu Deinen musicalischen Ergözlichkeiten wünsche ich Glück, sie werden Dir noch eine Quelle vieler Freuden seyn. Entschuldige mich doch bei Deinem Karl, daß ich ihm seinen lieben Brief noch nicht beantwortet, und auch nichts geschickt habe. Aber mir ist der Kopf seit vielen Wochen ganz wirblicht von meinem jetzig Geschäft. Ich will schon einmal an ihn denken, wenns auch nicht gerade ein Schauckellied ist. Goethens Lieder und Zelters Musik sende ich sobald ich sie habe. Goethens Lieder sind größtentheils nach alten Volksmelodien (die ich Dir in 8 Tagen schicken will) er hat bloß neue Worte dazu gemacht. Einige darunter werden Euch allen große Freude machen, die Melodien wie die Lieder.
Lolo grüßt herzlich.
Dein Sch.
Verte.
Eben erhalte ich einen Brief von Humboldt, der uns recht betrübt. Sein ältester Sohn Wilhelm ist schnell an einem Nervenfieber gestorben2. Er war mir das liebste seiner Kinder; vor 2 Jahren wo ich ihn sah, war er ein liebenswürdiger Knabe, der sehr viel versprach. Er schien gesund wie das Leben selbst – ich fürchte doch, es ist das Clima was ihn hinraffte, besonders der Sommer, den Humboldt fast ganz in Rom selbst zubrachte. Der arme Humboldt ist sehr gebeugt, das Kind war ihm auch am liebsten; er hat noch nie ein Unglück erfahren, wie er schreibt, und dieser erste Schlag ist der schwerste, der ihn treffen konnte. Jezt hat er keinen Sohn mehr als den Theodor, der mir keine Freude machen würde.
Schreibe ihm doch bald ein tröstlich Wort. – Man wird unsicher an allem, was man zu besitzen glaubt, und fühlt sich schmerzlich gezwungen, dabei an sich selbst zu denken.