Weimar, 14 April [Sonnabend] 1804.
Hier übersende ich Ihnen, werthester Freund, die veränderte Leseart der drei bedenklich gefundenen Stellen. Möchten Sie nun für Ihre Verhältnisse passend seyn! Anders konnt ich mich nicht fassen, ohne dem Geist des ganzen Werkes zu widersprechen, denn wenn man einmal ein solches Sujet, wie der Wilhelm Tell ist, gewählt hat, so muß man nothwendig gewisse Saiten berühren, welche nicht jedem gut ins Ohr klingen. Können die Stellen, wie sie jetzt lauten, auf einem Theater nicht gesprochen werden, so kann auf diesem Theater der Tell überhaupt nicht gespielt werden, denn seine ganze Tendenz so unschuldig und rechtlich sie ist, müßte Anstoß erregen.
Wegen des Uebrigen, worin ich nicht nachgeben konnte, Tell’s Monolog und die Einführung des Parricida, berufe ich mich auf das, was ich Hrn. Pauli mündlich sagte. Der Casus gehört vor das poetische Forum und darüber kann ich keinen höheren Richter als mein Gefühl erkennen.
Auch Göthe ist mit mir überzeugt, daß ohne jenen Monolog und ohne die persönliche Erscheinung des Parricida der Tell sich gar nicht hätte denken lassen.
Hr. Pauli hat mit mir wegen einer großen Oper gesprochen, ich hatte längst auch Lust zu einem solchen Unternehmen gehabt, aber wenn ich mir den Kopf zerbreche, um von meiner Seite etwas rechtes zu leisten, so möchte ich freilich auch gewiß seyn können, daß der Componist das gehörige leiste. Eine Tragödie kann auch für sich selbst, unabhängig von dem Talent der Schauspieler, etwas seyn; eine Oper ist nichts, wenn sie nicht gespielt und gesungen wird.
Hrn. Pauli’s Bekanntschaft war mir sehr angenehm. Ich habe in ihm einen Mann von Einsicht und Geist und einen braven Mann schätzen lernen. Empfehlen Sie mich ihm aufs Beste.
Ganz der Ihrige
Schiller.
*
[Anlage.]
II. Akt 2. Scene.
Stauffacher.
Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
Wenn es zum letzten, äußersten gekommen,
Wenn rohe Willkühr alles Recht zertritt,
Wenn kein Gesetz mehr hilft, dann hilft Natur,
Das altererbte dürfen wir beschützen
Gegen Gewalt. – Wir stehn vor unser Land,
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder.
Fünf oder sechs Stimmen (wiederholen langsam mit Würde und Anstand):
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder.
III. Akt 3. Scene.
Tell (zu dem Knaben):
Das Land ist frei und offen wie der Himmel,
Doch die’s bewohnen sind in große Dörfer
Mit Mauern eingesperrt. Sie nennen’s Städte;
Dort darf der Nachbar nicht dem Nachbar trauen.
Walther Tell.
Vater, es wird mir eng im weiten Land,
Da wohn ich lieber unter den Lawinen u. s. f.
IV. Akt.
Nach der ersten Scene ist folgende kleine einzuschieben.
Scene 2. Vorzimmer.
Hedwig, welche schnell hereindringt.
Baumgarten folgt ihr, und will sie zurückhalten.
Baumgarten.
O Frau, was sucht ihr hier im Haus des Todes?
Ihr könnt ihn jetzt nicht sehen, bleibt zurück.
Hedwig.
Wer darf mir’s wehren? Laßt mich (will hinein).
Baumgarten.
Ihr sucht Trost
Im Haus des Jammers! Bleibt zurück! Hier ist
Kein Ort für euch. Der Bannerherr will sterben.
Hedwig.
Wer stirbt hat ausgelitten. Ich, ich lebe
Und leide!
Baumgarten.
Ich ruf ihn. Wartet hier! (geht hinein).
Hedwig (dringt nach).
Ich kann nicht warten.
Scene 3. Saal.
Attinghausen (im Armsessel). Walther Fürst, Stauffacher. Melchthal. Walther Tell.
Walther Fürst.
Es ist vorbei mit ihm. Er ist hinüber.
Stauffacher.
Er liegt nicht wie ein Todter. Ruhig ist
Sein Schlaf und friedlich lächeln seine Züge.
(Baumgarten tritt herein.)
Walther Fürst (zu Baumgarten).
Wer ist’s?
Baumgarten.
Es ist Frau Hedwig eure Tochter etc. etc.
Nachher
Attinghausen.
Der Adel steigt von seinen alten Burgen,
Zieht in der Städte Gottesfrieden ein,
Und fügt sich sanftern menschlichen Gesetzen.
Mit edeln Bürgerwürden schmückt er sich,
Die wahre Stärke lernt er in der Ordnung
Und in der Eintracht schönen Banden suchen.
Doch manches Blut – und köstliches – wird fließen,
Eh er der Waffen wildem Recht entsagt.
Die Ritter seh ich angezogen kommen
In schwer geharnischt – dichtgedrängter Schaar,
Ein harmlos Volk von Hirten zu bekriegen.
Auf Tod und Leben wird gekämpft, und herrlich
Wird mancher Paß durch blutige Entscheidung.
– Der Landmann stürzt sich mit der nackten Brust
Ein freies Opfer in die Schaar der Lanzen,
Er bricht sie, und errungen ist der Sieg,
Hoch triumphirend schwebt die Landesfahne.
– D’rum haltet fest zusammen etc.