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Schiller an Caroline von Beulwitz, 10. Mai 1790

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Montag Abends. [Jena, 10. Mai 1790.]

Wir leben hier gar freundliche Tage, meine Liebe. Wie freut es mich, daß auch Du Dir in Deiner jetzigen Existenz gefällst. Ich kann mir nicht sagen, daß wir getrennt von Dir sind, so nahe fühle ich mich Dir. Eigentlich trennt doch nur die Seele, so wie nur sie allein verbindet. Du bist mein, wo Du auch mein bist. Freilich ist es anders, wenn meine ganze Seele in Worten und Augen sich gegen Dich ausbreiten darf, aber nur die ungewisse Sehnsucht macht die Entbehrung für mich zum Schmerz. Doch könntest Du immer an deine Hieherreise denken. Wenn Dich Mama einige Wochen gehabt hat, so darf sie sich mit diesem Opfer begnügen.

Freilich wärs gut, wenn Caroline die bedenklichen Anfangswochen mit dem ** bei dir hätte zubringen können, aber es ist wohl nicht die entfernteste Hoffnung, daß es angeht. Ich glaube nicht, daß Du Dich viel verbessern würdest, wenn Lolo auch auf einige Wochen zu Dir käme. ** steht doch immer in einem familiären Verhältnisse mit ihr, an dem die Heirath im Grunde nichts geändert hat. Was er sich sonst gegen dich und sie erlaubt hat, würde er auch wohl noch jetzt; etwas weniger vielleicht in meiner oder fremder Gegenwart. Auch müßten ihm allerlei Gedanken aufsteigen, wenn er Lolo bei seiner Ankunft in Rudolstadt sähe, weil ihm wahrlich sein Gewissen nicht sagen kann, daß man sich um seinetwillen hinbemüht haben werde. Indessen findest Du es doch vielleicht nicht ohne Nutzen, und dann werden wir es auch so finden.

Heute habe ich einen Brief von Hause erhalten, worin die angenehme Nachricht steht, daß meine Mutter sich anfängt zu erholen. Herzlich hat sie mich erfreut. Ich hoffe noch immer, sie wiederzusehen, und ihr einige frohe Tage noch zu schenken. Auch Lolo und Dich muß sie noch sehen, und mein Vater muß Euch seine Artigkeit ins Angesicht sagen.

Ich bin nun ganz wieder in meine Geschäfte verloren, und so daß ich oft mich selbst dabei verliere. Aber dies ist von solchen Arbeiten, woran das Herz unbeschäftigt bleibt, unvermeidlich, und es ist gut für mich, daß ich es nur kann. Ich genieße darum mich selbst, und alles was ich zu mir rechne, nur halb, nur flüchtig. Aber Ihr streut mir Rosen auf den Weg, der ohne Euch so unfreundlich, so unerträglich seyn würde.

Gute Nacht, Liebste. Wenn ich Dir nicht mehr schreibe, und in dem Wenigen noch dir so wenig gebe, so rechne es meinem Herzen nicht an, aber meinem Kopfe. Es ist schon seit lange, daß ich nicht eigentlich in mir selbst lebe, und Du weißt, daß ich nur da Dir recht begegnen kann.

Lolo ist gar lieb, und ich freue mich, so oft ich sie sehe, ihres lieben Daseins um mich. Sie ist vergnügt und auch sehr wohl. Möchtest auch Du beides seyn meine Liebste, möchtest auch Du immer und immer um mich leben und weben.

Nichts mehr für heute. Grüße Lina schön, wenn Du ihr schreibst; ich werde ihr nun auch bald wieder schreiben. Lebe wohl. Der chère Mère sage recht viele Grüße. Ewig Dein

S.