d. 24. März [Mittwoch] 90.
Gar seltsam kommt mirs vor, meine Liebe, an Dich als eine Abwesende zu schreiben. Ich hab es ganz verlernt, Dich fern von mir auch nur zu denken, und für eine neue Lage habe ich noch kein neues Gefühl. Ich wünschte zu wißen, wie Dir zu muthe ist, ob es Dir denkbar vorkommt, diese Entfernung verlängert zu sehen, ob Du für ein Leben, ferne von uns, Sinn haben könntest. Aber Du bist jetzt glücklich mit Carolinen, und also wirst Du mir jezt nicht darauf antworten können.
Wie still es indeßen bey uns war, und wie wir lebten, wird Dir Lotte schreiben. Ich war viel beschäftigt, und noch immer fühle ich mich nicht ganz wohl. Könnte ich mir nur überreden, daß Du es wärst. Wieviel gäbe ich um Deine Gesundheit.
Heute ist der Tasso angekommen, er wird aber heut noch nicht gelesen. Es fehlt mir die Lust dazu. Der Himmel war gestern u. heute so freundlich, du bist doch auch im Freien gewesen? – Ich sehne mich nach Dir meine liebe. Bleib nicht später aus, als auf den Sontag, aber – warum will ich Dir Zwang anthun. Mir fällt ein, daß Du mir anfänglich nicht sagtest, wie lang Du weg seyn würdest. Bald könnte mich das beunruhigen – hab ich etwas gethan, das Dich vor mir nicht so frey und unbefangen seyn läßt, als vor Dir selbst? Ich könnte mir das nie vergeben, auch in der kleinsten Sache möchte ich Dir nicht als ein Hinderniß erscheinen.
Grüße Carolinen herzlich. Sie hat Dich jetzt. Ich will ihr ein andermal schreiben. Ich wünsche euch schöne Tage und ein Andenken der Liebe an uns. Leb wohl, recht wohl theure liebe.
S.