HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. Februar 1790

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. Februar 1790

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Sontag Abends 1.

Ihr seid jetzt beysammen, meine lieben, und mein Herz sagt mir, daß ich euch nicht ferne bin. Noch vier Tage und ich bin in eurer Mitte – das ist eine unaussprechlich schöne Aussicht. Meine Sorge ist nur, daß wir einander so wenig werden seyn können. Einige Vormittagsstunden – das wird wohl alles seyn, und ihr werdet dafür sorgen, fürchte ich, daß die Vormittage nicht zu frühe anfangen. Ich will eine Stunde Vorlesung mehr noch daran wenden, und es einrichten, daß ich Donerstag Abends spätestens zwischen 9 und 10 in Erfurt bin. Könnt ihr, so richtet es so ein, daß ihr zeitiger nach Hause kommt, und ich euch die Nacht noch eine Stunde genieße. Vergeßt nur nicht mir zu schreiben, in welchem Gasthof ihr abgestiegen seid. Verfehle ich diesen, so ist die halbe Freude verloren. Wenn keine Antwort auf diesen Brief mehr bey mir eintreffen kann, und ihr diesen Umstand in dem Brief, der unterwegs ist vergeßen habt, so schickt den Heinrich gegen 9 Uhr oder auch nur ein Billet in den Schleedorn, wo ich halten werde. Dem Heinrich könntet ihr auftragen, daß er mir ein gutes Zimmer (eines nehmlich, das nicht zu weit von den eurigen ist) soll parat halten lassen. Die Reputation kann nichts dadurch leiden, die Heurath macht alles gut.

Auf die neuen chère Père und chère Frères Gestalten, bin ich begierig. Thut mir den Gefallen, und beschreibt mich als einen wunderlichen Kopf oder lieber gleich als einen Bären – das hat in Rudolstadt schon mein Glück gemacht, und wenn ich dann nur niemand fresse, so bin ich ein artiger Mensch. Das Universum von D. hätte ich noch gar gern gelesen, aber hier ist es nicht zu haben. In Erfurt hoffe ich es zu finden, ich rechne darauf es aus der Tasche heraus sehen zu lassen, wenn ich beym Coadjutor bin. Da ich diese Zeit her alles Interesse an Arbeit verloren, die nicht durch sich selbst es erzwingen, so bin ich darauf gefallen, ein altes Schauspiel wieder hervorzusuchen, wovon schon vor 3 Jahren Scenen fertig waren. Sie Scenen misfielen mir, aber ich habe eine davon mit vielem Glück retouchirt. In der Thalia werdet ihr sie lesen oder auch hier in Mscrpt. Schon lange fehlte es mir an einem Gefühlt des gegenwärtigen Genius – so daß es schien, als wenn er mit mir schmollte. Aber Amor und der Genius der Dichter sind auf einander nicht neidisch, vielmehr ist es ihr Interesse, wenigstens bey mir, freundlich zusammen zu halten. Ich kann gar nicht beschreiben, meine Lieben, wie mich die Aussicht freut, mich in eurer Mitte mit einer dichterischen Arbeit zu beschäftigen. Die höchste Fülle des künstlerischen Genußes mit dem gegenwärtigsten Genuß des Herzens zu verbinden, war immer das höchste Ideal, das ich vom Leben hatte, und beyde zu vereinigen ist bey mir auch das unfehlbarste Mittel, jeden zu seiner höchsten Fülle zu bringen. An euren Herzen, meine lieben werde ich diesen Wunsch in Erfüllung sehen. Liebe allein, ohne dieses innre Thätigkeitsgefühl, würde mir ihren schönsten Genuß bald entziehen – wenn ich glücklich bleiben soll, so muß ich zum Gefühl meiner Kräfte gelangen, ich muß mich der Glückseligkeit würdig fühlen, die mir wird – und dieses kann nur geschehen, wenn ich mich in einem Kunstwerk beschaue. Es ist nicht Egoisterey, nicht einmal Stolz, es ist eine von der liebe unzertrennliche Sehnsucht, sich selbst hochzuschätzen.

Ihr seyd alle gesund will ich hoffen, und eure Glückseligkeit wird durch nichts gestört. Nur für meine Braut und Schwägerinn fürchte ich die großen Diners und Soupers gar sehr, und fast auch für mich selbst, wenn ich bey euch seyn werde. Dir Caroline gebe ich deine zwey Gäste aufs Gewissen, Dich halte ich noch für die beste Philosophinn unter den dreyen. Nimm Dich der Geistigkeit an, und sey eine Seelsorgerinn im vernünftigen Sinn.

Ich werde den Schnupfen wohl aus dem ledigen Stand in den Ehestand mit hinein nehmen, wie der Anschein ist. Jezt plagt mich ein böser Hals und ein Husten, und ich medicinire, damit ich doch wenigstens auf den Freitag leidlich sprechen kann, denn jetzt wird mir die Stimme wirklich schwer. Sonst ist mir aber seh wohl und ich bin heiter.

Heute sind wir in der Jenaischen Hauptkirche feierlich aufgeboten worden mit einem langen Schweif von Glückwünschen, wie ich höre, von Herrn Oemlers Invention. Mir ist jetzt nur bange, daß sich niemand meldet, den ich zu heurathen versprochen habe, oder daß Knebel nicht auftritt, und mir Lottchens Hand streitig macht. Gewiße Leute sollten wirklich, damit die Geschichte eine tragische Verwicklung bekäme, diesen Ressort spielen lassen. Dem heutigen Aufgebot habe ich vermuthlich den Brief zu danken, den ich zu eurer Unterhaltung hier beylegen will. Ihr werdet mir doch gönnen, daß ich im Herzen des Kranzes so gut logirt bin. Die Zimmer in ihrem Herzen, wie sies nennt, sind ungleich wohlfeiler, als die in ihrem Hause, es ist aber auch weniger daran zu verderben. Meistens sind Zimmer für Domestiquen.

Ich habe mir heute vergebliche Rechnung auf einen Brief von euch gemacht; an der Post lag es nicht, daß keiner kam. Ich will mich aber resigniren, da die Zeit so nahe ist, wo die Briefe ihren Credit ohnehin verlieren.

Ich vermuthe, liebe Line, Du willst Sontag Abends noch nach Jena, um den Montag nicht zu ermüdet in Kala anzukommen; ich habe deßwegen im Segnerischen Hause bestellt, daß Zimmer und Betten Sontag Abends parat gehalten werden. Ich wäre sehr dafür, noch Sontags hieher zu reisen, so sind wir dann auf den Montag um so weniger preßirt. Wenn euch nur Lina hieher begleiten könnte. D. Stark ist ein sehr geschickter Artzt, und in Erfurt ist, soviel ich weiß, kein besonderes medicinisches Genie. Es wäre also mehr als nur Vorwand, dem Papa plausible zu machen, daß er sie ihrer Gesundheit wegen zuweilen hieher gehen lasse.

Mir ist eingefallen, ob sich der Rath Becker von G. nicht bereden ließe, während unsers Dortseyns nach E. zu kommen. Es freute mich doch, ihn wieder zu sehen, und er wäre uns eine gute Stütze in der großen Gesellschaft. Wenn ihr ihm Nachricht gebt, kommt er gewiß.

Jetzt adieu meine Lieben. Ich schreibe euch nun keinen Brief mehr, weil ich selbst eben so zeitig ankomme. Seid vergnügt und denkt meiner. Ich umarme euch mit zärtlicher Liebe. adieu.

S.

  1. Februar 1790