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Schiller an Charlotte Schiller, 12. September 1794

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Freitag den 12. Sept. [1794]

Ich habe seit einigen Tagen mit rechter Ungeduld auf Nachricht von Dir gehoft, ob ich gleich wusste, daß ich keine zu erwarten hatte. Zwischen dem Dienstag und Sonnabend ist ein gar langer Zwischenraum, der sich aber jetzt hoffentlich aufheben wird. Auf den Sontag oder Montag gehe ich nach Weimar ab, wenn irgend meine Gesundheit es verstattet, und dann verändern sich unsre Posten. Hieher nach Jena wirst Du vor dem 10ten October nicht kommen dürfen, denn das Blatterngift hat bei dem kleinen Bill nicht gefaßt, und er ist heute wieder inoculiert worden. Du kannst aber, wenn es Dir in R. nicht mehr gefällt, sobald nach Weimar kommen als Du willst, denn nunmehr ist von mir keine Ansteckung zu fürchten. Ich werde mich in W. nach einem Logis für uns erkundigen, denn sobald Du kommst, ziehe ich von Göthen aus, wo ich doch einige Bequemlichkeiten vermißen dürfte. Herzlich verlangt mich nach meinen Lieben, und ich bin doppelt froh, daß es sich so gefügt hat, daß wir einander in Weimar früher wieder sehen, denn ohne diesen Zufall wären wir volle 5 Wochen von einander entfernt gewesen.

Ich lege Dir eine englische Iphigenia bey, die mir Göthe gestern geschickt hat. Sie wird dir Freude machen. Auch ist an die kleine Maus noch ein anderes Geschenk gekommen, das sie aber erst finden kann, wenn sie nach Jena kommt. Es ist sehr hübsch und sehr brauchbar. Eine Schweizerische Bekanntschaft von euch. H. Reiter aus Winterthur, wird auch dieser Tage nach Rudolstadt kommen und euch aufsuchen. Er soll sehr gut mahlen.

Die Stein hat mir dieser Tage geschrieben, daß Göthe kürzlich bei ihr gewesen, welches mir unerwartet gewesen ist. Von allen Orten her erfahre ich jetzt wie sehr sich Göthe über die Bekanntschaft mit mir freut. An Meiern in Dresden hat er, wie Körner schreibt, vieles darüber geschrieben und auch mit der Stein viel davon gesprochen.

Die Herzogin Mutter kommt auf einige Wochen hieher, und dieß darf Dich trösten, daß du abwesend bist. Du hättest es nicht vermeiden können, Dich ihr zu zeigen, und dieß würde hier, wo sie einem keine Kunstsachen zu zeigen hat, keine große Freude seyn. Ich bin froh, daß ich ihr entgehe.

Alexander hat an mich geschrieben und freut sich sehr über die Horen und die Verbindung mit mir. Auch Jacobi will mitarbeiten.

Ramdohr war hier und hat mich besucht. Eine nicht ganz unintereßante Bekanntschaft für mich, obgleich nicht sonderlich viel an ihm seyn mag. Er spricht über Kunstsachen verständig, obgleich viel zu anmaßend; aber da ich jetzt gerade mit diesem Fach umgehe, so freute mich doch mit einem so heterogenen Kopf darüber Ideen zu wechseln.

H. Jenisch schickte mir dieser Tage seine berüchtigte Borussias zum Geschenk und entwaffnet mich dadurch, daß ich über dieses elende Produkt nun nichts sagen werde.

Mit meinem Schlafen ist es diese ganze Woche recht gut gegangen, und überhaupt habe ich mich viel erträglicher befunden. Jetzt spüre ich das unruhige Wetter wieder, doch geht es noch. Heute Mittag hat Bill Henderichen und Fichten bey mir tractiert. Li konnte aber nicht kommen, weil man den kleinen Bill nicht austragen darf.

Ich korrigiere jetzt meine Correspondenz mit dem Prinzen v. A. und laße daran abschreiben. Diese Arbeit bekommt nun ein ganz anderes Ansehen, und gelingt mir sehr. Nun bin ich voll Erwartung, was die Berührungen mit Göthen neues in mir entwickeln werden. Wir finden bey ihm einige schöne Landschaften, die er dieser Tage von Neapel erhielt. Jetzt lebewohl liebes Herz. Den Goldsohn küße mir tausendmal zu seinem Geburtstag. Schreibe ja recht fleißig, wie es Dir und dem kleinen geht, und was sich etwas neues an ihm entwickelt. Deine künftigen Briefe laufen nach Weimar. Grüße alle Rud. Freunde herzlich. Lebe wohl.

Sch.