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Schiller an Charlotte Schiller, 20. September 1794

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Weimar den 20. Sept. [Sonnabend] 94.

Meinen Brief von Weimar wird mein liebes nun vermuthlich haben. Seit dieser Zeit gieng es ganz ordentlich mit mir, biß auf ein Reißen in den Lenden, das ich mir durch eine Erkältung zugezogen haben mag, und das einmal früh Morgens so stark war, daß ich mich nicht im Bette rühren konnte. Es hat aber schon denselben Tag abgenommen, und hindert mich doch nicht mehr an den nothwendigsten Bewegungen.

Ich bringe die meiste Zeit des Tages mit Göthen zu, so daß ich, bey meinem langen Schlafen, kaum für die nöthigsten Briefe noch Zeit übrig habe. Vor einigen Tagen warn wir von halb 12 wo ich angezogen war biß Nachts um 11 Uhr ununterbrochen beysammen. Er las mir seine Elegien, die zwar schlüpfrig und nicht sehr decent sind, aber zu den beßten Sachen gehören, die er gemacht hat. Sonst sprachen wir sehr viel von seinen und meinen Sachen, von anzufangenden und angefangenen Traurspielen u. dergl. Ich habe ihm meinen Plan zu den Malthesern gesagt, und nun läßt er mir keine Ruhe, daß ich ihn biß zum Geburtstag der reg. Herzogin, wo er ihn spielen lassen will, doch vollenden möchte. Es kann auch ganz gut dazu Rath werden, denn er hat mir viel Lust dazu gemacht, und dieses Stück ist noch einmal so leicht als Wallenstein. Er hat mich gebeten, seinen Egmont für das Weim. Theater zu corrigieren, weil er es selbst nicht wagt, und ich werde es auch thun. Meinen Fiesko und Cabale und Liebe räth er mir, auch nur ein wenig zu retouchieren, daß diese Stücke ein bleibendes Eigenthum des Theaters werden. Was seinen Antheil an den Horen betrifft, so hat er großen Eifer, aber freilich wenig vorräthige Arbeit. Seine Elegien giebt er uns und zwar gleich für die ersten Stücke. Alsdann hat er mir vorgeschlagen, einen Briefwechsel mit ihm über Materien zu eröfnen, die uns beyde interessieren, und dieser Briefwechsel soll dann in den Horen gedruckt werden.

Herdern sprach ich gestern zum ersten Mal nebst Rehberg und dessen Schwester, die eben hier sind. Rehberg hat eine fatale Physiognomie und mißfällt überhaupt, wenigstens auf den ersten Anblick. Seine Schwester ist ein artiges Geschöpf. Herder hat sich sehr alt gemacht, war aber recht freundschaftlich. Ich werde ihn nächstens einmal besuchen. Ausgegangen bin ich noch nirgends.

Humboldt war unterdeßen wieder bey mir. Er zweifelt, ob die Blattern bey dem kleinen ausbrechen werden, und in diesem Fall könntest Du also in 8 Tagen ohne Anstand nach Jena zurük. Zwar hat Hufeland sein Kind inoculiert, dieß wird aber auf unsern Carl keine Folgen haben. Wann ich wieder nach Jena zurükgehe, weiß ich noch nicht. Jetzt ist es gerade eine Woche, daß ich hier bin, und da ich gar nichts hier arbeiten kann, so will ich es doch nicht zu lange machen. In 8 Tagen werde ich mich also wohl auf den Rückweg machen. Wie froh will ich seyn, meine Lieben da zu finden! Grüße Chere Mere und Unsre Rud. Freunde recht schön von mir. Dem Goldsohn tausend Küße. Vergiß nicht, mir die Sevigné, die Heloise und den Rollin mitzubringen. Adieu liebes Herz.

Sch.