HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 12. Februar 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 12. Februar 1789

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W. 12. Februar [Donnerstag] 89.

Mit den Schilderungen, um die ich Sie bat, und die Sie mir entworfen haben, ist es gegangen, wie ich mirs dachte; Sie würden Ihr Geschlecht gut vertheidigen. Aber ich wollte Ihnen gerne einige Geständniße bey dieser Gelegenheit ablocken, welche Sie aber gar verständig (wie Odyßeus sagt) umgangen sind. Doch hat mich Karoline raisonnabler behandelt als Lottchen. Karoline hat mir doch eine Hinterthüre gelassen, und einen freundschaftlichen Vergleich aufs Tapet gebracht, Lottchen aber fertigte mich trocken und kurz ab. Uebrigens ist davon gar keine Frage, daß Sie nicht recht haben sollten – ein andres aber ist das Interesse einer Farce, wie der Geisterseher doch eigentlich nur ist, ein anderes das Interesse eines Romans oder einer Erzählung, wo man jedem Schritt, den der Dichter im menschlichen Herzen thut ruhig und aufmerksam nachgeht. Der Leser des Geistersehers muß gleichsam einen stillschweigenden Vertrag mit dem Verfasser machen, wodurch der leztere sich anheischig macht, seine Imagination wunderbar in Bewegung zu setzen, der Leser aber wechselseitig verspricht, es in der Delikatesse und Wahrheit nicht so genau zu nehmen.

Sonst glaube ich übrigens doch, daß sich auch, außer jener Hinterthüre die mir Karoline offen gelassen hat, noch Fälle denken lassen, daß Liebe, mit einem ungewöhnlichen Feuer behandelt, durch sich selbst – als ein innres Ganze – auch ohne Moralität imponieren kann. Ein Mensch, der liebt, tritt so zu sagen aus allen übrigen Gerichtsbarkeiten heraus, und steht bloß unter den Gesetzen der Liebe. Es ist ein erhöhteres Seyn, in welchem viele andere Pflichten viele andere moralische Maaßstäbe nicht mehr auf ihn anzuwenden sind. Dieß kommt indeßen meiner Griechinn nicht zu gute, die nicht in dem Grade lieben wird – aber der Leser braucht sich auch nicht mehr für Sie zu interessiren, sobald ihm die Augen aufgegangen sind. Was sie thut, muss sie vorher thun.

Ich hatte gehofft, Ihnen ein Neues Heft vom Geisterseher heute mitschicken zu können; aber es ist keines angekommen. Von Moritzens Bogen hat mir Lottchen noch ein wenig gesagt; es ist unendlich viel darinn, das in die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Daseyns eingreift, und das sowohl durch seine absolute Wahrheit als hie und da auch durch seine Individualität und Paradoxien interessirt.

Knebel hat mich neulich besucht, bei welcher Gelegenheit über Moritzens Schrift auch viel gesprochen wurde. Ich muß nun zuweilen für seine Ideen fechten, ob sie gleich nicht alle die meinigen sind, weil er zuweilen Unrecht beurteilt wird. Doch hat dieses öftere Nachdenken und Sprechen über Schönheit und Kunst vielerley bey mir entwickelt, und auf die Künstler besonders einen glücklichen Einfluß gehabt. Ich möchte in der That wissen, was Goethe dabey fühlen wird; denn so wenig mir seine Existenz gibt, so hoch schätze ich sein Urtheil.

Wie viel doch kleine Umstände können. Vor einigen Tagen war Wieland bey mir, um eine kleine Fehde, die wir über eine Stelle in den Künstlern hatten, mit mir abzuthun. Das Gespräch führte uns weit in gewisse Mysterien der Kunst. – Wieland war kaum eine halbe Stunde weg, so durchlas ich meine Künstler; einige vorher sehr werth gehaltene Strophen ekelten mich an, und diß gab mir Anlass 14 Neue dazu zu thun, die ich nicht in mir gesucht hätte, d. h. deren Inhalt bißher nur in mir geschlafen hat. Sie werden Sie bald unterscheiden.

Knebel hat mir ein Mscrpt von ihm selbst über das Schöne mitgetheilt, das ich beurtheilen soll, aber es macht mich nicht wenig verlegen. In seinen Ideen ist noch eine große Verworrenheit, und sein Raisonnement oft erstaunlich schief. Ich hätte mir in der That von seinem Geiste größere Erwartungen gemacht; aber ihm fehlt Ruhe und Sammlung, er ist ein Ball, der von einem hiesigen Kopfe zum andern geworfen wird, und nie die Philosophie aus einem Hause hinausträgt, die er hinein gebracht hat. Sonst schade um ihn. Er ist ein gar guter Mensch. – Von dem Mscrpt lassen Sie Sich indessen gegen niemand verlauten; es ist meiner Verschwiegenheit anvertraut.

Diesen Abend wird Fiesko hier gespielt nach einer fürchterlichen Rollenbesetzung. Wohl mir, daß ich ihn nicht sehen muß.

Wenn Sie Goldoni ungebunden brauchen können, so soll er mit dem nächsten Botentag abgehen; binden darf ich ihn nicht lassen, sonst muß ich ihn bezahlen und mir dient er doch weiter zu nichts.

Die Schmidt ist noch nicht hier; ich habe auch nichts davon gehört, wenn Sie kommen wird.

Leben Sie recht wohl und bleiben Sie mir nahe im Geist! Grüßen Sie, was Sie wißen, dass ich gegrüßt wünsche und lassen mich bald wieder von Ihnen hören. Adieu.

Schiller.

Beiliegende Contes bitte ich, mir auf die nächste Woche zurückzuschicken.