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Schiller an Caroline von Beulwitz, 5. Februar 1789

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Weimar 5. Februar [Donnerstag] 89.

Meinen Brief, den ich am letzten Dienstag auf die Post gab, werden Sie nun wohl haben; lassen Sie mich doch mit nächster Gelegenheit den Tag wißen, wann Sie ihn erhalten haben, daß ich mich künftig darnach richten kann.

Warum habe ich Ihren Geburtstag nicht gewußt, so hätte ich ihn in der Stille durch eine fröhliche Unterhaltung mit unserer Freundschaft und angenehmen Rückerinnerungen, Hofnungen und Projekte begangen; ich hätte mich Ihnen näher gefühlt, und den fröhlichen Zirkel wenigstens im Geiste vermehren helfen. Indeßen hat ihn der Zufall – oder der Zusammenhang der Dinge doch für mich zu einem angenehmen Tage gemacht. Ich habe an demselben die Künstler vollendet und so daß ich damit zufrieden bin. Ich muß mich selbst loben. Ich habe noch nichts so vollendetes gemacht – ich habe mir aber auch noch zu nichts soviel Zeit genommen. Doch Sie werden ja sehen!

Ihr Brief ist in einer sehr heitern Stimmung geschrieben; Sie leben in Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt. Warum kann ich nicht gleich unter Ihnen seyn, und mich auch in diesen Ton stimmen lassen. Alle meine Genüße muß ich tief aus meiner Seele hervorhohlen; die Natur gibt mir nichts und die Menschen suche ich nicht auf. Wenn ich glücklich seyn soll, so muß ein geschloßener Zirkel um mich herum seyn, der ohne mein Zuthun da ist, und in den ich nur gleich eintreten kann, den ich empfänglich gestimmt finde – Darum war mir immer sowohl bey Ihnen, und Gefühle der Freundschaft haben dieses Glück nur verfeinert und vermehrt, nicht erst neu hervorgebracht. Auch wenn wir weniger Freunde wären, würde mir Ihr näherer Umgang wünschenswürdig geblieben seyn. Hier fände ich von der Art nichts, auch wenn ich es suchte. Entweder sind die Menschen von ihren Ichs und was darauf Bezug hat besessen und obsedirt, oder sind sie durch Façon für mich verdorben. Zerstreuen kann man sich allenfalls wohl bey ihnen, aber nicht genießen. Einige Ausnahmen gibt es allerdings, und unter diese rechne ich Frau von Stein und noch einige; aber diese sind nicht immer für mich zu haben, wenn ich es wünsche.

Ueber Göthen möchte ich wohl einmal im Vertrauen gegen sie ein Urtheil von mir geben, aber ich könnte mich sehr leicht übereilen, weil ich ihn so äußerst selten sehe und mich nur an das halten kann, was sich mir in seiner Handlungsart überhaupt aufdringt. Göthe ist noch gegen keinen Menschen, so viel ich weiß, sehe, und gehört habe, zur Ergießung gekommen – er hat sich durch seinen Geist und tausend Verbindlichkeiten Freunde, Verehrer und Vergötterung erworben, aber sich selbst hat er immer behalten, sich selbst hat er nie gegeben. Ich fürchte, er hat sich aus dem höchsten Genuß der Eigenliebe ein Ideal von Glück geschaffen, bey dem er nicht glücklich ist. Dieser Karakter gefällt mir nicht – ich würde mir ihn nicht wünschen, und in der Nähe eines solchen Menschen wäre mir nicht wohl. (Legen Sie dieses Urtheil bey Seite. Vielleicht entwickelt ihn uns die Zukunft, oder noch beßer, wenn sie ihn widerlegt.)

Diderots Moral. Schriften, die Ihnen beyden soviel Vergnügen geben, habe ich noch zu lesen, wie ich überhaupt noch viel zu lesen habe. Wie glücklich sind Sie, daß Sie alles so genießen können, glücklich wie die unschuldigen Kinder, für die gesorgt wird ohne daß sie sich darum bekümmern dürfen wo es herkommt. Sie gehen durch das litterarische Leben, wie durch einen Garten, brechen sich und beriechen was Ihnen gefällt – wenn der Gärtner und seine Jungen über lauter Arbeit nicht einmal die Zeit finden, ihrer Pflanzungen, und was drum herum ist, fröhlich zu genießen.

Leben Sie recht wohl. Meine Zeichnung werde ich Ihnen schon noch verschaffen. Sehen Sie beyliegendes Buch an; es ist von einem jungen angehenden Schriftsteller, aus dem gewiß noch etwas gutes wird. Schon viel Bildung in der Sprache, ein fließender Dialog, sanfte Empfindungen, vorzüglich im Cleomenes, freilich bey vielen Schlacken! adieu.

S.