HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. Dezember 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. Dezember 1789

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Jena Montag abends. 1

Was werdet ihr zu meinem Geist- und herzlosen Brief gesagt haben meine lieben, den euch die Montagspost gebracht hat? Ich konnte euch nicht ganz ohne Nachricht lassen, und doch war ich zweifelhaft über das Schicksal des Briefs. Da kam denn dieses traurige Produkt heraus, das ich in eben dem Augenblick bereute, als ichs fortgeschickt hatte.

Dank euch für eure lieben Briefe. O wie wohl thut es mir, dass ihr meinen Vorschlag, das Geschöpf meines Herzens und meines sehnsuchtsvollen Verlangens, mit dieser Wärme mit dieser Freude auffaßtet! Seitdem diese Hofnung in mir helle geworden ist, fange ich an, mich von allen übrigen Verhältnissen des Lebens abgetrennt zu fühlen. Kein Band ist mehr zwischen den übrigen Menschen und mir. O wie werde ich in eurer Liebe alles alles finden, was einer Sehnsucht werth ist! Wie werde ich mich in dem Himmel unsers ewigen Umgangs verlieren!

Gestern noch an euerm Herzen o es waren Vorgefühle dieser Glückseligkeit! Und doch ist die höchste Freude, die wir jetzt einander geben, auch die kleinste nicht werth, die alsdann jeden Tag auf uns wartet. In unsre höchste Freude mischen sich jetzt Gedanken der Trennung, dann aber wird das Gefühl, daß es so fortdauert, jedes Glück der liebe erst ganz und vollkommen machen. Lebendig und überzeugend wird eure Liebe in jedem Blicke in jedem Laut eures Mundes zu mir sprechen, und in jeder Stunde, in jeder Stellung meines Gemüths kann ich meinen Himmel in euren Augen sehen. O wie schön ist diese Zukunft!

Körner schreibt mir gestern – wieder ein Beweis für die Macht der Sympathie – daß ihm mein akademisches Leben in den Tod zuwider sey. Da er so gut vorbereitet ist, so habe ich ihm unsern ganzen Plan vorgelegt, und seine Zufriedenheit damit wird viel beytragen, gegen die Schwierigkeiten, die sich dabey finden können, meinen Muth zu stählen. Ich traue nicht gern meinen Urtheilen, wo ich weiß, dass Leidenschaft mich leitet. Fremde Billigung macht mich sicher. Körner billigt unsern Plan gewiß – vielleicht wünscht er, dass ich mich jezt schon um eine andere zweckmäßigere Aussicht bemühen möchte, aber nur weil er das Ganze unsrer Lage nicht durchschauen kann.

Heute kam ich auf eine gar üble Art um die schöne Abendstunde, wo ich euch schreiben wollte, soviel schreiben wollte, meine Lieben. Der L. Kranz hat sie mir getödet. Man ließ mich bitten, weil G[riesbach] mit mir zu sprechen hatte, und zum Unglück muss der Herzog hieher kommen und ihn hohlen lassen. Indem ich ihn zurückerwartete wurde ich bis 10 Uhr aufgehalten. Der L. Kranz war doch bescheiden, und liess mich seine Unzufriedenheit über mein langes Wegbleiben nicht so merken. Er hat eine Versöhnlichkeit, die mich zur Verzweiflung bringen wird. Heute hat er mir wieder sein schönes Herz geöfnet, aber ich war zu voll von dem Verdrusse, daß ich nicht umhin konnte, ihm über gewisse Dinge meine Gedanken aufzuschließen. Ueber Paulussens hielt man sich sehr auf, weil sie sich so vor aller Welt zurückzögen, und nichts für die Gesellschaft thäten. Da mußte ich ihr endlich einmal mein Glaubensbekenntniß darüber geben, was man einer elenden Gesellschaft schuldig ist. Sie konnte mich nicht widerlegen, aber zu überzeugen war sie nicht.

Von euch sagte ich viele Grüße, aber sie sprach wenig von euch. Sie bat mich, ihr möchtet die Wiedeburg, die längst wieder in Weimar ist, zu euch bitten, wenn ihr sie anders sehen wollt. In dem Hause wo sie wohne, sey man so wunderlich und würde sie ungebeten nicht zu adelichen Damen gehen lassen. Ich glaube, sie ist euch attachirt, und deßwegen dauert sie mich, dass sie so unglücklich ist, den Lorbeerkranz hochzuschätzen. Laßt sie aber doch einmal zu euch bitten.

Lebt wohl meine liebsten meine theuersten. Carolinen hätte ich heute so gern auch geschrieben, aber es war ganz unmöglich. Ihr wißt wie theuer sie meinem Herzen ist, und ihr werdet es ihr aus meiner Seele sagen. Möchtet ihr sie gesund angetroffen haben, dass sie euch auf die nächste Woche besuchen kann, und ich sie bey euch finde – O diese schöne Aussicht, euch bald wieder zu sehen! – Mein Herz lebt nur von dieser Freude. Liebstes meiner Seele, lebt wohl. Es ist Ein Uhr und ich muß schließen. Gute Nacht meine Geliebtesten.

S.

Erst auf den Mittwoch geht mein Brief nach Coburg ab. Also brauchst du erst zu Ende der Woche zu schrieben Caroline.

Jena Dienst. Abends. 2

Seid mir gegrüßt, meine lieben. Die Post geht erst gegen Morgen. Ich kann noch ein Blatt beilegen. Dass ich jetzt unter euch seyn könnte! Wie nöthig hätte mein Herz eure lieben Gestalten; meine Stimmung ist bewölkt – ach so ist es immer und so wird es auch bleiben, biß eure liebe Gegenwart mit einem ewigen Licht mein daseyn bestrahlt. Eure liebe ist das Licht meines Lebens.

Noch nie fand sich in meiner Seele so viel Freude und Leiden zusammen. Die Liebe und die Hofnung geben mir ein erhöhteres schöneres Daseyn, aber die Gegenwart umringt mich mit traurigen Bildern, die Furcht zeigt mit Hindernisse, Unruhe und Zweifel zerreißen mein Herz. Mit schnellem Wechsel stürze ich von einem Zustand in den andern hinüber – – Wann werde ich endlich in ganz ungemischten Zügen das Glück unsrer Liebe in mich trinken?

Ihr habt mit Carolinen von unsern Entwürfen gesprochen – Findet sie unser Leben nicht schön und himmlisch? – O schön und himmlisch wird es seyn. Jede Erinnerung daran entwickelt mir eine neue Freude, eine neue Schönheit darinn. Gewiß ist dieser Weg der beste und einzige zu unsrer Glückseligkeit, ach! und der nächste! – Daß ich die Vorstellung davon so hell und lachend, wie sie in mir ist, auch in andre Seelen hinüberbringen könnte, die wir zu überreden haben. Deine schönste Stunde mußt du nehmen, Caroline, wenn du deiner Mutter schreibst, und dein Herz, nicht dein Verstand, muß zu ihr sprechen. Daß du ihr auch schreibst, meine Lotte, wird recht gut gethan seyn. Wie wird sie euch beiden widerstehen können?

Lebt wohl meine liebsten. Gerne schrieb ich mehr, aber mein Kopf ist gedrückt, und ich könnte euch heute keine heitere Stimmung mittheilen. Ich drücke euch an mein Herz – o lebt wol. lebt wol.

S.

  1. December 1789.
  2. December 1789.