HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. November 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. November 1789

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Sonnabend früh. 1

Seid mir gegrüßt theuerstes meiner Seele! Es geht mir ein schöner freundlicher Tag auf, der mir Briefe bringt von euch. Ich habe sie nöthig, in unruhiger Sehnsucht nach euch verlebte ich diese lange diese ewige Woche; in einem glüenden Triebe nach Leben, das nur an Eurem Herzen mir beschieden ist, verzehrt sich mein Wesen.

Ihr seid glücklicher als ich. Sanfter und ruhiger genießt ihr die Gegenwart und die Hofnung, meine Seele bewegt eine heftige Sehnsucht. Die Ruhe flieht mich noch immer im Gedanken an euch – sie schwebt vor mir auf, eine liebliche Gestalt, die ferne Zukunft, aber fest kann ich sie noch nicht halten.

Wohl hast du recht Caroline. Sehnsucht ist kein Leben. Entfernung von euch ist keines für mich, und Schatten der Einbildung sind keine Genüsse. Der Mensch besitzt nicht, was er nur in seiner Seele empfindet. Er muß es herausstellen in das lebendige Seyn und außer sich anschauen. So geht es mir mit der Glückseligkeit unsrer Liebe, die sich so lieblich in meiner Seele mahlt. Unaufhörlich ringt dieses Bild in mir nach Wirklichkeit und Leben, denn, obgleich in mir, bliebt es doch immer weit von mir, solange ich es nicht in euren Augen lese, an euren Herzen empfinde.

Für eine genügsame stille Seele ist dieses Verhältniß eine Quelle des Glückes, für ein Herz, das mit seinen Wüschen nicht über die Gegenwart hinausstrebt. Die süße Ueberzeugung, dass ihr mein seid – daß nichts euch mir entreißen kann, sollte mir das Leben erheitern. Aber es ist nicht so. Ich kann eine Glückseligkeit, die ich so lebendig, wie diese, erkenne, nicht mit leidender Seele erwarten. Unsre Einbildung zeitigt ihre Fürchte so schnell, und die Zeit bringt sie so langsam zur Reife.

Ach! und so muß ich euch immer die Unruhe mittheilen, die in mir selbst stürmt – keine ruhige Freude kann ich euch geben.

Hier ist die Antwort des C. Ich weiß nicht, was ich eigentlich damit machen soll. Soviel indessen läßt sich daraus schliessen, daß es nur an zwey Augen ligt, ob alle unsre Wünsche in Erfüllung gehen sollen, denn ich denke nicht, daß D. sich zurückziehen würde, wenn es zum wirklichen Handeln käme. Aber ich möchte wissen, ob diese Hinweisung an den Kfsten etwas mehr als eine gewöhnliche Ausweichung ist, ob ich den Kfsten vielleicht, und selbst durch Ds ehemalige Aeuserungen von mir, auf mich vorbereitet finden würde? Der C. hat wenigstens bey sehr verschiedenen Menschen und oft schon über mich gesprochen – vielleicht also auch schon bei dem Kfsten. Ueberleget meine Lieben, und rathet was ich thun soll. Ich will und kann mich in der entscheidenden Angelegenheit unsers Glücks nicht mehr leidend verhalten. Findet ihr es gut, so schreibe ich gleich in der nächsten Woche an den Kfst – und geht es dort nicht, an den Kg. V. P. Mein Herz hat diese Angelegenheit mit einer Stärke und einem Feur umfasst, dass sie entschieden seyn muß, wenn ich meine Ruhe wieder finden soll.

Werdet ihr mir bald etwas bestimmtes von eurem Hieherkommen schreiben? Es ist schon der 22ste Tag, daß wir getrennt sind. Ich freue mich doch der eilenden Zeit. Länger als 14 Tage, hoffe ich, soll es doch nicht anstehen. Die Grießbach sprach kürzlich davon, ob ihr nicht über Jena reisen würdet. Er und sie meynten, ihr würdet besser thun. Es wird also hier nicht im geringsten auffallen, wenn ihr über Jena reist. Grießbach beschreibt den Weg über Blankenhayn ganz entsetzlich, ich wollte die ch. M. hätte zuhören können. Ich sagte der Grießbach, dass ich noch nichts wüßte. Vielleicht aber reis’tet ihr mit der Stein, von Kochberg aus, unmittelbar nach Weimar.

Was hast du in H-b-ds Sache gethan Caroline? Ich möchte doch genauer davon unterrichtet seyn. Lebt wohl meine theuersten. Nur bey euch ist meine Seele, aber ich bedarf eures Anblicks, Eures lieben Daseyns um mich, die Unruhe in meinem Herzen zu besänftigen. Ich drücke Euch an mein Herz mit inniger unaussprechlicher Liebe. Meine Geliebtesten! lebt wohl.

S.

  1. November 1789.