HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. September 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 14. September 1789

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Montag Abends 1.

Wenn der Bote sein Versprechen hält, so erhaltet ihr diesen Brief noch eher, als Ihr mich erwartet. Ich wollte ihn lieber nicht zu schreiben haben, denn der Inhalt davon ist, dass ich vor d Freitag nicht werde in R. seyn können. Ich muß Geld erwarten, das heute ausgeblieben ist und erst Donnerstag Abends ankommt; denn ich habe ehe ich weggehe, einige Zahlungen zu thun. Eine sehr unidealische Verhinderung, aber darum nicht weniger wichtig! Ich habe nun von euch keine Zeile mehr zu hoffen – seit dem Sonnabend keine Zeile. Das ist sehr traurig. Wenn ich erst bey euch bin, ist dieses Leiden freilich vergessen, aber biss dahin sind es noch 4 volle Tage, die ich ohne eine Spur von euch durchleben soll.

Auch mich beschäftigt die Sorge um unsre arme Kranke in B. jezt sehr, aber es ist mehr die Ungewißheit über ihr Befinden, als die Nachricht durch L. Roche, was mich beunruhigt. Das Blutspeyen ist ein schlimmer Zufall, aber er ist es weniger bey Frauenzimmern, die an Krämpfen leiden. Mir selbst sind Beispiele bekannt, dass es in solchen Fällen ganz ohne Folgen geblieben ist. Nur wenn das Blutspeyen von zerrissenen Lungengefässen herrührt, ist es bedenklich; sehr oft aber ist es bloß die Folge von einer zu großen Ausdehnung derselben, und ein Ausschwitzen des Bluts, welches vorübergehend ist. Ich wünsche freilich Karoline wäre in einer größern Stadt, wo gleich Hilfe bey der Hand ist, und verständige Leute gefragt werden können. Ihre Gesundheit wäre ein so kleines Opfer doch wohl werth gewesen.

Die Chère Mère müßt ihr bey ihrer Zurückkunft und wenn ich da bin, eher fleißiger als nachlässiger besuchen, sonst gewöhnt ihr sie, mich und eine unangenehme Erfahrung in ihrem Gemüth zusammen zu denken. Ich will wohl glauben, daß ihre Ansprüche an euch übertrieben seyn können, und der Natur entgegen seyn mögen, aber sie verdienen von eurer Seite, soweit es nur möglich ist Erfüllt zu werden, da sie so wenig despotisches haben und nur in Wünschen bestehen. Es ist schon ein sehr seltenes Glück in eurem Verhältniß mit ihr, „daß sie den Antheil, den eure freye Wahl an eurem Betragen gegen sie hat, einzusehen Feinheit genug besitzt“; dadurch fühlt sie Verbindlichkeit gegen euch, da Eltern sonst das Gegentheil voraus setzen. Ueberhaupt ist viel größerer Werth in der kindlichen als in der elterlichen Liebe, denn diese ist unwillkürlich, und jene ist eine freye Empfindung, ihr würdet also auch feinere Genüsse haben, wenn ihr ihr Opfer brächtet, als sie durch eure Liebe für euch. Aber ich schreibe hier eine Abhandlung über die kindliche Liebe und vergeße, daß ich meiner eigenen Mutter noch einen Brief zu beantworten habe. Dieß soll aber auch gewiß noch diese Woche geschehen, und der seligmachende Einfluß eures Wesens soll sich von hier biss nach Stuttgardt verbreiten.

Dann aber, wenn ich der kindlichen Liebe genug gethan habe, will ich mich bei einer andern belohnen, die doch schönere Kränze auszutheilen hat, und die auch in der Natur gegründet ist, – ja wenn Plato recht hat – der die Natur selbst ihr Daseyn verdankt. Ich sollte nicht so munter seyn, als ich mich jezt zeige, denn erst auf den Freitag sehe ich euch! Aber ich sehe euch, ich werde euch öfter sehen, ich werde euch an mein Herz schliessen können – diß sage ich mir in dieser Zeit noch hundert und tausendmal, und so verfliegen die Sekunden. Adieu ihr lieben freundlichen Engel, adieu – Ich umschließe euch mit meiner ganzen Seele. adieu adieu.

S.

  1. September 1789