Jena, Freitag abends 1
Gestern Abend um 10 bin ich glücklich angekommen und sehe mich nun wieder an der Stelle, die ich vor 5 Wochen so freudig verliess. Ich weiss noch nicht, ihr lieben, wie ich mich jezt wieder darein finden werde, daß mir ganze Tage ohne Dich ohne euch vorüber gehen. Ach ich fühle, ich bin noch immer unter euch. Euer Bild in meinem Herzen hat ein Leben und eine Wirklichkeit, wie keins von allen den Dingen, die mich so nahe umgeben.
Gesprochen habe ich hier ausser Griessbachs noch niemand. Der L-b-z hatte verweinte Augen, als er zu seinem Mann und mir ins Zimmer trat, er hatte Loders besucht, denen ein Kind an den Masern gestorben ist, und das erste Kind, das ihnen stirbt. Grießbachs haben mich übrigens freundschaftlich empfangen und das ist alles, was ich will. Von Knebeln sagten sie mir viel, er muß sich fleißig im Hause gemeldet haben.
Die Collegien haben erst gestern angefangen, und zwar nur die Vormittags collegien, so dass ich gar nichts versäumt habe. Den nächsten Montag aber fangen die Nachmittagsstunden an, und ich muß ohne Barmherzigkeit auch daran. Mein Kopf ist heiter und ich fühle den Muth in mir, den ich brauche, um auszudauren.
Heute Vormittag begegnete mir etwas das ich zu lachen machte. Es hatte sich ein fremder Professor der Mathematik bey mir melden lassen. Er wollte nicht geringeres von mir, als dass ich einem Unternehmen beytreten sollte, welches er in Frankfurt a. Mayn ausführen wollte. Er wollte dort ein Lyceum oder Musäum nach Art des parisischen errichten, worinn nehmlich über wissenschaftliche Dinge und schöne Kunst Vorlesungen gehalten würden. Er verlangte 200 Häuser zu Abonnenten, jedes sollte 50 Gulden jährlich bezahlen; drey Professoren sollten sich in das Werk vertheilen, einer in Naturwissenschaften, ein anderer in mathematik und Experimentalphysik, ein dritter in philosophischen und schönen Wissenschaften. Aus allen Wissenschaften aber sollte nur das Interessante gewählt, und auf eine Art, die den Liebhaber befriedigt, vorgetragen werden. Er rechnete vorzüglich auf die Damen, und meynte, daß es bald Ton werden würde, das Lyceum zu besuchen. Er selbst war in Frankreich und Italien, wie er sagt; indessen erweckte er mir keine hohe Meynung von sich. Es war mir aber lustig, dass ich gleich den andern Tag nach unsrer Trennung einen Antrag erhielt, der mich fast ganz biss nach Mainz führte, wenn er zur Ausführung käme. Ich habe mich zwar nicht darauf eingelassen, weil ich keine Erwartungen von dem Herrn habe und keinen Glauben an Frankfurth; aber ich wünschte mir nichts mehr, als eine Beschäftigung dieser Art, wo ich nicht mir rohen Studenten zu thun hätte und eine Auswahl unter dem, was mich interessirt, machen dürfte. Ueber die Mainzer Professoren schimpfte der Herr sehr; er nannte sie trockene Pedanten. Gern hätte ich ihn mehr darüber ausgefragt, aber ich hielt ihn weder für instruirt, noch für unparteyisch genug dazu.
Morgen, meine theuerste, erhalte ich Briefe von euch. Möchte ich hören, daß deine Gesundheit sich bessert Caroline; dieß ists, was mir jezt viele Unruhe macht. Ich fürchte zwar nichts für jetzt, aber ich fürchte, daß diese Zufälle öfters wiederkehren möchten. Körperliche Zerrüttungen könnten das freie Spiel Deines Geistes stören und ihr gerade das, was dich und uns in dir glücklich macht, verbieten. Deine Seele hat Stärke. aber eben darum darf das Instrument nicht schwach seyn, worauf sie spielt; sonst wird sie es durch jede lebhafte Bewegung angreifen. Sey also wachsam über deine Gesundheit! Meine Glückseligkeit hängt an deiner Liebe, und du mußt gesund seyn, wenn du liebst.
Adieu meine theuersten. Meine Seele ist euch nahe. Ich bin nicht von euch getrennt. adieu. adieu.
S.
- Oktober 1789. ↩