HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 28. Oktober 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 28. Oktober 1789

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Jena d. 26 Obr. [Montag] 89.

Der Lorbeerkranz hat mich heute Abend um 3 schöne Stunden gebracht, die ich hätte anwenden können, euch zu schreiben meine theuersten. Ich habe heute zum ersten Mal wieder gelesen und nach der Vorlesung musst ich den Abend bei den Leuten bleiben. Ach! Wieviel dummes Zeug hat der Lorbeerkranz wieder gesprochen. Auch von euch redete er mir, und dieses dank ihm der Himmel! Ich hörte doch wenigstens euren Nahmen nennen, ob er gleich sehr vergeblich geführt wurde. Ach meine lieben! wie werd ich dieses Leben aushalten können diesen Winter. Der ew’ge traurige Kreis von meinem Studierzimmer in das auditorium und von Auditorium zu G.! Ich habe nichts, das mirs erleichtert, als den Gedanken an euch! nichts als euer Bild, eure Briefe, die Gewißheit eurer Liebe, eure liebe mich umschwebende Gegenwart. O wie leer ist mir hier alles! Ich muß es mir recht oft sagen, daß auch diese leere Existenz nothwendig ist, um uns zusammen zu führen.

Eure Briefe haben mich mir selbst zurückgebracht. Gleich am ersten Tag meines Hierseyns beschäftigten mich unangenehme Dinge. Ich hatte diesen Trost so nöthig, und ich werd ihn so oft nöthig haben. O wie viel gibt mir eure Liebe, und wie würde ich leben mögen ohne sie!

Wo sind die lieben Augenblicke alle hin, wo wir so glücklich durcheinander waren? Wo ist dieser schöne Traum hingeeilt! – Ach! Es ist keine Spur mehr davon da. Ihr fehlt mir, wohin ich sehe. Ihr fehlt mir bey jedem Gedanken. Es ist so unendlich anders – sich sehen, umfassen und umschließen – und nur aneinander denken! Aber so lebhaft ist mir noch jeder Augenblick unsers beyeinanderseyns und heilig bewahrt meine Seele die lieben Bilder.

Ich sollte euch keine Klagen merken lassen, aber soll ich euch verhehlen, was ich fühle? Würdet ihr mir glauben, wenn ich euch überreden wollte, dass ich glücklich seyn kann ohne euch? O Karoline! Lotte! Warum sind wir getrennt!

Selbst der süsse Genuß, euch oft und viel zu schreiben, wird mir schwer gemacht durch meine Geschäfte. Ich muß die Augenblicke dazu stehlen, indem ich sie an Nichtigkeiten wegwerfen muß.

Noch auf diesen Augenblick habe ich hier niemand besucht ausser Grießbachs. Wie wohl würde mir seyn, wenn ich es dabey bewenden lassen dürfte. Sie hat mir heute ihr Gastzimmer gezeigt. Leider hat sie eines, das sie euch anbieten kann. Aber ich hoffe, das Holz soll ihr zu theuer seyn, denn sie hat erst heute böses von jemand gesprochen, weil sie ihm ein Zimmer hat müssen heitzen lassen. Knebel wird nicht wieder nach Jena kommen, richtet euch also darnach ein, dass ihr die Stein nicht nöthig habt. Nun sind doch schon 4 Tage seit unsrer Trennung überstanden, und ihr seid mir um soviel Tage näher.

Was macht Karoline? Was macht meine Karoline? Bist du frey von den Zuckungen? Ist meine Lotte wieder gesund? Morgen kommen eure Briefe, der liebe Tag meiner Hofnung! Lebt wohl meine liebsten theuersten. Lebt wohl. Es ist Mitternacht, ihr werdet ruhig schlafen, indeß meine Seele um Euch schwebt. Lebt wohl.

S.