HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 24. Juli 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 24. Juli 1789

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Jena den 24. Jul. [Freitag] 89.

Es wird uns, seitdem Sie in Lauchstädt sind, so schwer gemacht, Nachricht von einander zu bekommen, als wenn Sie ans Ende der Welt gereis’t wären. Auch ich muß einen Posttag später schreiben als mir lieb ist, weil Ihr Brief zu spät in meine Hände kam. Zum Glück bekam der Lorbeerkranz den seinigen noch später – sonst weiss ich nicht, was aus mir geworden wäre. Doch nein – so ungeduldig ich auch Ihrem nächsten Briefe entgegensah, so wenig muthete ich Ihnen zu, mir sobald zu schreiben, weil ich weiß, dass man der Bequemlichkeit immer einige Tage gönnen muß, sich von einer Strapaze zu erhohlen. Sie haben also meine Hofnungen weit, weit übertroffen – und ich weiß nicht wie ich Ihnen für Ihr liebes Andenken recht schön genug danken soll.

Das Bild, das Sie mir von Ihrer Freundinn und Ihrem Beyeinanderseyn geben, könnte mich fast eifersüchtig und neidisch machen, wenn Sie mich nicht auch abwesen darinn aufgenommen hätten. Die Gewißheit dass ich Ihnen nahe bin, dass Sie in Ihren schönern Stunden sich meiner gern erinnern, dieser Gedanke ist mir sehr viel, sehr viel werth – aber leider ist dieser Gedanke allein auch alles, was ich wirklich mein nennen kann. Mein Bild in Ihrer Seele ist doch immer nicht ich selbst, und während dem, dass mein Schatten unter Ihnen wandelt, muß ich selbst hier in Jena ein desto elenderes Leben führen. Je lebendiger Sie vor meiner Phantasie da stehen, desto mehr erschöpft sich meine Toleranz gegen die, mich hier umgebenden Geschöpfe, desto weniger kann ich mich mit meiner Einsamkeit aussöhnen. In der That – ich mache täglich eine traurige Entdeckung nach der andern, dass ich Mühe haben werde, mit diesem Volk hier zu leben. Alles ist so alltägliche Waare und die Frauen besonders sind ein trauriges Geschlecht. Sie wissen, glaube ich, oder Sie wissen es nicht, dass der weibliche Karakter zu meiner Glückseligkeit so nothwenidg ist. Meine schönsten Stunden danke ich doch Ihrem Geschlecht – wenn ich besonders noch die Musen dazu rechne, die nicht umsonst Frauenzimmer sind. Selbst die Venus Urania ist ja ein Weib, und ihre irrdischen Töchter sind da, uns bey ihr einzuführen. Hier haben mich alle Götter und Göttinnen der Schönheit verlassen, denn die grimmige Gesichter der Gelehrten verscheuchen alles, was Freiheit und Freude athmet. Kommen Sie ja bald zurück, kommen Sie mich wieder zum Menschen zu machen, zum Dichter – das ist vorbey. Uebrigens tröstet mich das, daß Sie doch etwas von mir haben und lesen können, was aus einer glücklichern Epoche meines Geistes sich herschreibt. Es sind Funken der Glut, die Sie beide mir gegeben haben, und die jetzt wieder erloschen sind, da Ihr Athem sie nicht mehr belebt. Wie glücklich wollte ich seyn, wenn die schönen Hofnungen in Erfüllung giengen, von denen Sie schreiben. Aber wie? Wie sollen sie in Erfüllung giengen, von denen Sie schreiben. Aber wie? Wie sollen sie in Erfüllung gehen, so lange die armseligsten Nichtigkeiten in einer gewissen Waage mehr gelten, als die entschiedenste Gewißheit eines glücklichen Lebens? Und warum hat der Himmel die Rollen so sonderbar unter uns vertheilt, warum spannte er gerade das muthigste Roß hinter den Wagen? Ich weiß nicht, ob ich hier etwas schreibe, was verständlich ist – aber ich verstehe mich recht gut. Könnte ich gewisse Verhältnisse umkehren, so wäre der heroische Muth, den ich habe, an seiner rechten Stelle. So aber habe ich ihn nur zu meiner eigenen Peinigung und kann ihn niemand anderm mitteilen.

Bey allem unserm gerühmten Freiheitssinn sind wir doch warlich nur Sclaven und Opfer der Umstände und der Meynung. Was für klägliche Rücksichten waren es, die mir schon einigemale die Freude verdorben haben, mich in Ihrem Umgange zu genießen. Sie verweisen mich an die Zukunft. Wieviel größre Opfer müßten da gebracht werden können!

Aber ich vergeße mich. Ihr Brief machte vieles in mir lebendig und meine Einbildungskraft setzte da fort, wo Sie abgebrochen haben. Habe ich etwas verwirrtes geschrieben, so zerreißen und ignorieren Sie diesen Brief. Ich war in einer sonderbaren Stimmung, und diese möge mich bey Ihnen entschuldigen.

Ich kann Ihnen noch nicht schreiben, ob ich über Lauchstädt kommen werde. Es hat sich mir jemand von hier auf diese Reise aufgehängt, den ich nicht geradenwegs von mir weisen konnte. Werde ich diese Person los, wie ich mich auf alle Art bemühe und bemühen werde, so bin ich den 1. oder 2ten Abends nach fünf wohl in Lauchstädt. Auf den 7ten denke ich werden Körners von Leipzig nach Jena abreisen; können Sie alsdann durchaus noch nicht mitreisen, so kommen Sie doch gewiß noch zeitig genug hier durch, um uns in Jena zu treffen.

Leben Sie recht wohl. Machen Sie doch dass ich eine Antwort auf diesen Brief noch vor meiner Abreise von Jena finde. Ich reise am Donnerstag weg.

adieu. adieu.

S.