Weimar d. 30. April [Donnerstag] 89.
Meinen lezten Brief an Sie von Weimar aus schreibe ich unter einem Donnerwetter; und auch das Donnerwetter muss mich an Sie erinnern, denn das lezte, das ich hörte, fand mich noch bey Ihnen. Wie oft habe ich mich in diesen schönen Tagen zu Ihnen versetzt und Sie auf dem Damm und an der Saale hin begleitet. Auch Ihre erste Parthie im Gartenhauß beym Thee, wie gegenwärtig war sie mir und wieviele schöne Erinnerungen brachte sie mir zurücke! Dieser Sommer wird ganz anders werden; aber seinen schönsten Reiz für mich wird er doch von der Hofnung erhalten, Sie zu sehen, und von der Erinnerung an Ihre liebe mir so wohltätige Freundschaft.
Nächste Woche reise ich ab, und mir deucht fast, als wenn ich Ihnen näher zöge. Näher ist es nun zwar nicht, aber die große Geistesleere, die nun im gesellschaftlichen Zirkel um mich her entsteht, macht mir das Andenken an Sie desto mehr zum Bedürfniss. Sie werden mir näher, weil Sie mir notwendiger werden.
Sie erwarten Göckingk – unterdessen habe ich Bürgern kennen lernen. Bürger war vor einigen Tagen hier und ich habe die wenige Zeit, die er da war, in seiner Gesellschaft zugebracht. Er hat gar nichts auszeichnendes in seinem Äussern und in seinem Umgang – aber ein gerader guter Mensch scheint er zu seyn. Der Karakter von Popularität, der in seinen Gedichten herrscht, verläugnet sich auch nicht in seinem persönlichen Umgang, und hier, wie dort, verliert er sich zuweilen in das Platte. Das Feuer der Begeisterung scheint in ihm zu einer ruhigen Arbeitslampe herabgekommen zu seyn. Der Frühling seines Geists ist vorüber und es ist leider bekannt genug, daß Dichter am frühesten verblühen. Wir haben uns vorgenommen, einen kleinen Wettkampf, der Kunst zu Gefallen, miteinander einzugehen. Er soll darinn bestehen, dass wir beide das Nehmliche Stück aus Virgils Aeneide, jeder in einer andern Versart, übersetzen. Ich habe mir Stanzen gewählt.
Bürger sagt mir, dass er noch mehr Aufsätze in Mscrpt gelesen habe, die für die Götter Griechenlands gegen Stollberg Parthey nehmen und noch gedruckt werden würden. Er macht sich herzlich über Stollbergs Schwachsinnigkeit lustig und kämpft für sein gutes Herz, das einzige, was sich allenfalls noch retten läßt.
Noch ein Fremder ist hier, aber ein unerträglicher, über den vielleicht Knebel schon geklagt hat, der Kapellmeister Reichart aus Berlin. Er componiert Goethens Claudine von Villabella, und wohnt auch bey ihm. Einen impertinentern Menschen findet man schwerlich. Der Himmel hat mich ihm auch in den Weg geführt, und ich habe seine Bekanntschaft ausstehen müssen. Kein Papier im Zimmer ist vor ihm sicher. Er mischt sich in alles und wie ich höre muss man sehr gegen ihn mit Worten auf seiner Hut seyn.
Glauben Sie daß Beulwitz sich gerne mit einem so dicken Briefe beschweren wird. Ich wünschte gar sehr, dass er meine Familie sähe; er wird eine grosse Freude einlegen. Grüßen Sie ihn zum Abschied recht schön von mir; ich hoffe durch Sie öfters Nachrichten von ihm zu erfahren. Bitten Sie ihn ja sehr, dass er mich Lavatern zu Füssen lege, und mir einen Zipfel von seinem Rocke mitbringe.
Ich sende Ihnen hier auch die Bücher, die ich mir von Boden habe zurückgeben lassen, und lege den Aufsatz bey, den die Chère Mère mir aus Rudolstadt mitgab. Für die Anthologie danke ich Ihnen recht sehr. Ich lasse einige Gedichte daraus abschreiben. Dass Sie der Semele erwähnten, hat mich ordentlich erschröckt. Mögen mirs Apoll und seine Neun Musen vergeben, dass ich mich so gröblich an ihnen versündigt habe!
Hier lege ich auch ein Exemplar von meinem Diplom als Doctor Philosophiae bey, damit Sie doch auch etwas zu lachen haben, wenn Sie mich in einem so lateinischen Rock erblicken. Uebrigens ist es ein theurer Spaß, denn es kostet mir 50 Taler.
Leben Sie recht wohl und der Himmel schenke Ihnen für diese schönen Frühlingstage eine recht heitre Laune!
Schreiben Sie mir nicht mehr nach Weimar; ich will Ihnen noch vorher von Jena aus schreiben.
adieu. adieu.
Schiller.