HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 30. Mai 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 30. Mai 1789

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Jena d. 30. May [Sonnabend] 89.

Es ist lange, dass ich Ihnen keine Nachricht von mir gegeben habe; aber die Zerstreuungen und Geschäfte, womit ich mich biß jezt überladen sah, machten mir alles ruhige Schreiben unmöglich. Der Anfang meiner Vorlesungen fiel gerade in diese Woche, und überraschte mich fast unbereitet, weil ich in den ersten Wochen meines Hierseyns die Zeit stündlich verschwenden mußte. Die erste Unruhe ist jezt vorüber, und ich kann wieder meinen Empfindungen leben.

Wie freue ich mich, Sie wieder zu sehen – aber die Hofnung, die Sie mir dazu geben, ist so aufs Ungewisse hinausgerückt und die Zeit, die Sie mir schenken wollen, so sparsam zugemessen, daß Ihr vorletzter Brief mich nur halb fröhlich gemacht hat. Ich war gar nicht darauf gefaßt, in Ihrem Auffenthalt zu Lopetha Hindernisse zu sehen, alles schien mir so leicht thunlich; und nun soll ich mich mit zwey Tagen begnügen. Was kann man einander in 2 Tagen seyn? Bey Ihrer Durchreise kann ich ohnehin wenig darauf rechnen, Sie zu genießen, weil Sie nicht vermeiden können, die Grießbach zu besuchen, und wenn diese sie erst in ihrer Gewalt hat, so ist es um meine beste Freude gethan, denn sowohl Sie beyde als ich, sind mit dem Grießbachischen Hause zu gut bekannt, um uns dort nur mit uns zu beschäftigen. Wirklich! Ich mag gar nicht daran denken, wie sehr die Erfüllung gegen meine Hofnungen absticht.

Mit dem Griesbachischen Hause bin ich jezt sehr in Verbindung, ich weiß nicht, wodurch ich mir den alten Kirchenrath gewogen gemacht habe; aber er scheint es mit mir sehr gut zu meynen, und über wissenschaftliche Dinge spreche ich nicht ungern mit ihm. Sonst habe ich mich hier noch ziemlich gut, und mit dem Schützischen und Reinholdischen Hause lebe ich noch in den Flitterwochen und lasse mir schöne Sachen sagen. Einige unter den Profeßoren intereßiren mich, und ich denke gut und leicht mit ihnen zu leben. Unser hiesiges Frauenzimmer taugt wenig – doch das hab’ ich vorher schon vermuthet. Ich war unterdeßen auch auf einem Ball, wo ich allerley Gesichter zu sehen kriegte. Eine Mlle. Zickler war das hübscheste darunter, aber dabey auch das leerste und seelenloseste. Ich nahm meine Zuflucht zum Spielen.

Vor 8 oder 10 Tagen war ich Ihnen auch um 2 Stunden näher, bei Rothenstein, nach Kala zu, auf einem Berge, der eine herrliche Aussicht über den Saalgrund biß zur Leuchtenburg eröfnet. Ich habe dabey lebhaft an Sie gedacht, und der vorige Sommer kam mir in Erinnerung. Aber wie ungleich war Ihnen die Gesellschaft, in der ich jezt war.

Uebrigens führe ich ein behaglicheres Leben in Jena als in Weimar oder sonst irgendwo, wo ich mich häuslich niedergelassen habe. Ich schöpfe Vergnügen aus dem Gedanken, dass ich hier zu Hause bin, und hänge auch mehr mit der Welt zusammen, die mich umgibt, weil ich hier zu einem Ganzen gehöre. Jeder Besuch von jungen Leuten oder Profeßoren, jede andre Angelegenheit, in die ich dadurch verwickelt werde, bringt diesen Gedanken zurück und erneuert dieses, für mich neue, Vergnügen.

In meine Lage weiß ich mich ziemlich gut zu finden, und meine Contenance hat mich bey den ersten Vorlesungen keinen Augenblick verlassen. Der Zulauf war groß und dieß vermehrte meinen Muth; auch meine Stimme hat sich gut gehalten und den ganzen Hörsaal ausgefüllt, ohne mich zu sehr anzustrengen. Ich lese zwey Tage hintereinander und dann die Woche nicht mehr – wodurch ich 5 freye Tage gewinne, die mir zur Vorbereitung und zu schriftstellerischen Arbeiten unentbehrlich sind. In Grießbachs auditorium, wo ich lese, können Sie mich hören, wenn Sie hieher kommen und zum Fenster heraussehen, Dinstag und Mittwoch abends von 6-7 Uhr.

Für die Pfefferkuchen schönen Dank, sie sollen mir recht wohl schmecken. Schreiben Sie Beulwitz viele Grüße von mir, und empfehlen Sie mich Ihrer Mutter. Gleichen und seiner Frau überbringen Sie meinen freundlichen Glückwunsch. Kommt das neue Ehepaar einmal nach Jena, so will ich hoffen, daß sie mich nicht übergehen. adieu. adieu. Ich schicke Ihnen hier etwas zu lesen, wenn Sie es noch nicht kennen. Das große Gedicht an Bürgers zweyte Frau hat ganz vortreffliche Stellen. Leben Sie recht wohl und behalten mich lieb.

Schiller.

Die Bürgerischen Gedichte sind zurückgeblieben. Ich soll sie recensieren und dazu brauche ich das Exemplar.