HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 5. Januar 1790

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 5. Januar 1790

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Dienstag Abend 1.

Es ist mir gar lieb, daß auch ihr es gefühlt habt, meine Lieben, wie wenig eigentlich bey unserm letzten lermenden Beysammenseyn für unser Herz gewonnen worden ist. Es war wirklich Zeit, daß wir uns trennten. Nichts schlimmres könnte uns je begegnen, als in unsrer eignen Gesellschaft Langeweile zu empfinden, und es war nahe dabey. Der Himmel verschone uns, daß wir je, alle sechse, zusammenleben.

Heute, hoffe ich, seid ihr glücklich von Erfurt zurückgekommen; Caroline ist gewiß alles werth, was ihr für sie empfindet. Eine unaussprechliche Zartheit ligt in ihrer Seele, und ihr Geist ist reich und druchdringend. Wilhelm ist mir zu flüchtig, zu sehr aus sich herausgerissen, zu weit verbreitet. Ich traue ihm viel Fläche und wenig Tiefe zu. Sein Geist ist durch Kenntnisse reich und geschäftig, sein Herz ist edel, aber ich vermisse in ihm die Ruhe und – wie soll ich sagen? – die Stille der Seele, die ihren Gegenstand mit Liebe pflegt, und mit Anhänglichkeit an ihrem lieblingsGeschöpf verweilt. Von Karln mag ich nicht reden. Ich bin ihm gar nicht nahe gekommen und fühle mich als ein ihm ganz heterogenes Wesen. Wie kam er Dir je so nahe Caroline? Ich begreife es nicht recht.

Wegen meiner Mutter habe ich mich zum Glücke vergeblich betrübt. Gleich den andern Tag erhielt ich einen Brief von m. Vater, worinn er mir die glücklichste Crise ihrer Krankheit meldet. Sie hat einen Absceß im Magen gehabt, der sich durch ein Erbrechen gelöst hat. Jetzt ist sie ganz frey von Schmerz und fühlt wieder Appetit zum Eßen. Wenn dieser Zustand von Dauer ist, so ist sie dem Tode wunderbar entgangen und ihre letzten Tage werden wieder heiter seyn. Die Nachricht von unsrer Verbindung und Dein Brief liebe Lotte wird sehr viel zu ihrer Genesung beytragen.

Wie werden wir es aber jetzt mit eurer Mutter halten und was soll geschehen? Ihr müßt mir vorschreiben, was ich zu thun habe und euch mit mir in das Geschäft theilen. Ich denke, ich schreibe ihr auf den Sonnabend, daß der Herzog das seinige jetzt gethan habe und von außen kein Hinderniß mehr sey. Ich will ihr meine Gründe schreiben, warum ich wünschte, daß unsre Verbindung beschleunigt würde. Ihr müßt aber meinen Brief durch die eurigen unterstützen, oder lieber selbst nach R. gehen. Es wäre unverzeyhlich, wenn wir auch nur einen Tag mehr als es nöthig ist von unsrer Glückseligkeit verlören. Ich brauche nicht mehr als 14 Tage vorher es zu wissen, wann wir hier zusammen seyn werden, um das nöthige anzuordnen. Je früher ihr mir also diese Gewißheit verschafft, desto schneller bin ich hier zu Stande.

Der Lorbeerkanz möchte vor Erwartung fast vergehen. Ich brate ihn an einem langsamen Feuer. Es scheint, er weiß alles und ziemlich gewiß, aber weil ich zurückhalte, so wird ihm auch die völlige Gewißheit zum Zweifel. Gestern wurde ich wieder gebeten nur einen Augenblick nach der Vorlesung hin zu kommen, und da wurde mir ein schönes Bouquet von lebendigen Blumen zum Geschenk gemacht, mit dem bedeutungsvollen Zusatz, ich solle sie dem Frauenzimmer geben, von dem ich den Haarring trage. Man war erschrecklich feierlich und gar rührend. Ich soll versichert seyn, sagte sie, daß ich ihr Glück mache wenn ich das meinige mache. Aber nichts war aus mir herauszubringen, und die Blumen mögen sie jetzt herzlich reuen, die sie an mich gewendet hat. Ich schicke Dir die Blumen nicht, liebe Lotte; sie soll ihre Absicht nicht damit erreichen, lieber mögen sie bey mir verderben.

Eure beiden Briefe meine lieben kann ich heute nicht beantworten. Mein Kopf ist von Schnupfen ganz zerstört, und die heitere Stimmung fehlt mir dazu. Lebt wohl – Ach wann sehen wir uns wieder? Ich kann nichts bestimmtes davon sagen. Laßt uns ja bald dafür sorgen, daß wir diese Behelfe nicht mehr nöthig haben. Adieu meine lieben.

S.

  1. Januar 1790