HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 3. November 1789

Schiller an Lotte von Lengefeld, 3. November 1789

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Jena den 3. Nov. [Dienstag] 89.

Du sitzest wohl jetzt in dem großen Saal zu Kochberg, meine liebe Lotte, und betrachtest die schönen Tapeten, die deinen Kunstsinn bilden und üben! Meine leere Wände lachen mir eure Bilder zurück, die ich des Tags hundertmal in Gedanken darauf mahle. Ich bin dem bösen Kochberg noch immer gram vom vorigen Jahre her, wo es dich immer von mir wegnahm. Der Ausgang des Sommers wurde uns dadurch so gestört und unser Verhältniß zerrissen, wenn es eben im besten Gange war.

Jezt magst du seyn wo du willst, so bist du bey mir und ich bey dir. O wie viel anders ist jezt alles! Die schöne Gewißheit und neben ihr die selige Ruhe. Wenn nur erst alles mit der c. M. jetzt im Gange wäre. Ich wünschte so gern allen Mißklang aus unserm Leben zu entfernen und aus deinem Verhältniß mit ihr. Doch habe ich die beste Hofnung, die c. M. wird sich das fügen, was nicht zu ändern ist. Das Unglück ist geschehen, und einmal mehr oder weniger Hände zusammenschlagen über dem Kopfe – das macht nicht viel aus. Meynst du, sie wird auf meinen Brief sogleich sich gegen euch oder gegen Carolinen allein äusern? Sie wird wohl gar gleich einen Wagen mit sechsen anspannen lassen, um nur recht schnell bey euch zu seyn, und den Jammer anzufangen. Im Ernste aber, ich möchte wißen, wann ich ohngefehr vermuthen könnte, daß sie mit euch darüber spricht. Ich würde diese Stunde mit Ungeduld zubringen. Es ist doch eine gute c. M.! Sie zieht in das Schloß um Prinzessinnen zu bewachen, und ihre eigenen – überläßt sie dem lieben Himmel! Im Grunde, fürchte ich, ist sie doch gar nicht auf so einen Antrag vorbereitet, und wird also schrecklich überrascht werden. Sie hat bloß aus Aengstlichkeit wegen des Schicklichen mein öfters Leben mit euch bedenklich gefunden, und sonst nichts als Freundschaft zwischen uns vermuthet. Dieß wird sich nun Alles aufklären und ich erwarte es mit Begierde. Sonntag früh ist die Prüfungsstunde für sie.

Unsern lieben Knebel und den aller Welt lieben Mann sollen wir also verlieren. Er ist doch wirklich ein wahrer Ball des Schicksals, und er weiss heute nicht wo er morgen seyn wird. Er hat überal Haus und Wohnung und ich glaube fast, dass er eben so gut an zwey Orten zugleich seyn kann, als er im Stande ist, zweyerley Meynungen auf einmal zu haben, und zweierley Liebe, und tausenderlei Geschäfte. Er wird jetzt in andern Gegenden aufgehen wie eine helle Sonne, und Erleuchtung in alle Köpfe bringen. Aber im Ernste glaube ich, dass er in Weimar sehr vermißt werden wird. Das Leben geht mit ihm davon, die Grazien entweichen, und alle Engel fliehen mit ihm. Alle Herzen führt er in seinem Coffre mit sich fort und ihr werdet also im buchstäblichen Sinn eine herzlose Gesellschaft in Weimar finden.

Ich muß dir auch Dank sagen, meine liebe, daß du die bewußte Scheere so gut zu führen weißt. Gewisse Leute haben sich darüber geäußert, und zu meinem großen Vergnügen. Wenn du einmal in den Fall kommst, auch diese Scheere zu brauchen, so will ich auch für dich sorgen.

Mich freut sehr zu hören dass Caroline D. jezt in Erfurt ist. Sie ist euch näher und in Ruhe. Freilich wird ihr Meckel fehlen, wenn sie wieder Anfälle haben sollte. Wie listig ihr es mit der Reise über Jena noch einrichten werdet, bin ich begierig zu erfahren. Aber auf jeden Fall ist es eine gewisse Sache. Meine Erklärung gegen die c. M. wird auch etwas Einfluß darauf haben, guten oder schlimmen. Ich sehe euch schon in meinem Zimmer, ihr müßt euch auf alle meine Stühle setzen, und euer Bild, wo möglich, in meinem Spiegel lassen. Alles, wann ihr fort seyd, muß mir sagen, dass ihr da waret. Aber wie wir uns den Lorbeerkranz vom Halse schaffen, darauf muss noch raffinirt werden.

Lebe wohl meine theure Liebe. Ich drücke dich an meine Seele und meine Gedanken sind bey dir. Ich lebe noch immer ganz eingezogen hier, und habe heute auch mein Collegium absagen lassen, weil eine Arbeit mich noch fesselt. Auch morgen lese ich nicht, und die freyen Tage, ob ich gleich eben so viel daran arbeite, thun mir doch sehr wohl, weil sie mich mir selbst überlassen. adieu meine theuerste. Adieu!

S.