HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 5. Oktober 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, 5. Oktober 1788

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[Volkstädt] 5. October [Sonntag] 1788.

Was machen Sie? Sind sie heute nicht auch spazieren gegangen? Ich bin heute nach langer Zeit zum ersten Mal wieder ausgeflogen, und weil ich meine Papiere und Manuscripte in Volkstädt schon längst habe in Ordnung bringen wollen, so habe ich mich bei diesem schönen Wetter herausgemacht. Es ist hier doch freundlich, und wenn man eine Zeitlang in der Stadt gewohnt hat, kann es einem auch wohl in Volkstädt gefallen. Ich habe Lust, einmal wieder einen Morgen hier zuzubringen, und bleibe vielleicht heute hier, in welchem Fall ich Ihnen eine gute Nacht wünsche.

Heute war noch ein schöner Sommertag – es war der letzte freundliche Blick eines lieben Freundes, der von uns scheiden will. Anstatt mich zu erheitern, hat er Traurigkeit in mir zurückgelassen, er hat mich auch an eine Trennung erinnert, die mir bald bevorsteht. Er ist hin, dieser schöne Sommer, und viele meiner Freuden mit ihm! Sie gehen dieser Tage auch wieder, und eines Theils ist das für mich gut. Machen Sie aber doch, daß sie bald wieder zurückkommen, – daß ich noch Abschied wenigstens von Ihnen nehmen kann. Ich weiß nicht, ich habe keinen großen Glauben an die Zukunft. Ist es Ahnung? oder ist es nur schwarze Laune? Heben Sie dieses Billet doch auf. Vielleicht ist es Ahnung, aber ich mag heute nicht weiter daran denken.

Leben Sie wohl, grüßen Sie mir auch die Schwester recht schön. Adieu.

S.