Dienstag Abends 1.
Wie ergeht Dirs, meine liebe, bey diesem traurigen Wetter? Ich fürchte, es wird nicht gut auf Dich wirken und dir die Heiterkeit nehmen. Ihr sitzt jetzt wohl beim Thee zusammen, jedes still und in sich gekehrt – so denke ich euch mir. Ich komme eben aus dem Collegium, und habe vor acht Minuten noch gelesen. Nun muss ich diesen Abend noch in Gesellschaft, wohin man mich gebeten hat. Salis ist hier und war diesen Nachmittag bey mir. Er erzählte mir von Wolzogen, von Paris, was mich interessirte. Überhaupt hat er mir wohl gefallen, er scheint etwas stilles und ernstes in seinem Wesen zu haben, was mich an ihn feßelt. Diesen Abend werde ich noch mehr mit ihm umgehen, ich verspreche mir viel Vergnügen. Ich glaube ihr seid ihm gut aus s. Gedichten, und dieß hat ihn mir noch mehr empfohlen.
Die Mama hat heute geschrieben und die Nachrichten geschickt. Ich erstaune über ihre Pünktlichkeit und Geschwindigkeit. Ich habe dein Taufzeugniß in meiner Schatulle, und daraus seh ich, daß Du eine Christinn bist und des Herrn Johann Christoph v. Lengefeld eheleibliche Fräulein Tochter – mit drey gar schönen Nahmen – die mir alle so wohl gefallen, dass ich Dich künftig Charlotte Luise Antoinette rufen werde. Die ch. M. hat uns schon wieder 2 Tage zugelegt. Nun schreibt sie, daß sie den 22 Februar kommen wolle, nicht ohne die Vorsehung versteht sich. Die gute Mama! Wir müssen ihr, wenn sie sich nicht anders entschließt, recht viel Vergnügen zu machen suchen. Wäre es nur auf den Tag schönes Wetter, so ließe sich vielleicht eine Landparthie machen. Die Bohlinn sollst Du selbst einladen. Läßt sich die Stein nicht auch bereden auf einen oder zwey Tage herzukommen? Sie kann ja auch im Segnerischen Hause wohnen. Da die Mama erst von Montag über 8 Tage kommt, so wäre mirs lieber, erst Sonnabend über 8 Tage mit euch nach Erfurt zu gehen. Gleich nach der Erfurter Reise wäre dann unsre Trauung, und die Zerstreuungen folgten auf einander. Reisen wir schon am nächsten Sonnabend, so gibt mir dieß eine Unterbrechung in meinen Geschäften, die jetzt gerade nicht gut angebracht ist. Aber ihr habt mich einmal unter der Scheere, und ich muß geschehen lassen, was die Scheere mit mir machen will.
In Rudolstadt werden wir nicht aufgeboten: der Geheime Rath hat uns Dispensation gegeben, aber in Sächsischen Ländern ist es scharf befohlen, und es ist auch zu unbedeutend, um viel gute Worte oder Geld um die Dispensation zu geben. Vom Oberpfarr Cellarius hat die Chere mere einen Brief beygelegt, den ich euch hier schicke; schickt mir ihn aber wieder zurück, dass ich ihn Sonnabends der Ch. M. wieder ausliefern kann.
Schreib mir bald wieder meine liebe. Jetzt da wir einander 10 Tage lang nicht sehen sollen, müssen Briefe wieder alles thun. Lasst mich keinen Posttag umsonst erwarten. Die letzten Briefe kamen pünktlich und jetzt ist die Post durch eure Anfrage gewarnt. Jezt wird nicht leicht etwas gewagt werden.
Wie gerne schriebe ich mehr aber es schlägt 7 Uhr, und ich muß in Gesellschaft. Ich umarme Dich meine Lotte; tausend Grüße an Linen. Morgen schreibe ich ihr. lebt wohl meine lieben. Leb wol.
Dein S.
- Februar 1790 ↩