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Schiller an Christoph Wieland, 4. März 1791

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Jena den 4 März [Freitag] 91.

Mein verehrtester und theuerster Freund.

Schreiben Sie es der Ueberhäuffung mit Geschäften zu, die einen von so langer Krankheit wieder erstandenen, wie ich, belagern, daß ich es so lange anstehen ließ, Ihnen für das schöne Denkmal herzlich zu danken, das Ihre Liebe, denn dafür nehme ich es, im 2ten Stk des dißjährigen Merkur mir gestiftet hat. Es war mir eine Blume der Freude, die ich bey meiner Wiederkehr ins Leben fand, und zu keiner glücklicheren Zeit hätte sie mir blühen können. Noch einmal, liebster Freund, nehmen Sie meinen besten Dank dafür an, daß Sie mir Ihren freundschaftlichen Genius in einem so bedürftigen Augenblick haben erscheinen lassen.

Nach einer sehr langsamen Erhohlung finde ich mich wieder in die Welt um mich herum und in die Arbeit, wiewohl ich nicht läugnen kann, daß einige Ueberreste der Krankheit in meiner Brust mich beunruhigen. Die Zeit und eine vorsichtige Lebensordnung, hoffe ich, sollen auch diese heben, so daß ich mit heiterm Muth in die Zukunft sehen kann. So gerne, wünschte ich das noch zu erreichen, wozu eine dunkle Ahndung von Kräften mich zuweilen ermuntert, und wovon Ihr freundlicher Sehergeist mir das Ideal vorhält; wenigstens fühle ich, daß ich auf dem Wege dazu bin, und daß, wenn mein böses Schicksal mich jetzt schon abgerufen hätte, der Nachruf der Welt mir sehr Unrecht gethan haben könnte. Ich gestehe, daß der Gedanke daran mich in den kritischen Augenblicken meiner Krankheit peinigte, und daß es mir künftig eine große Angelegenheit seyn wird, den Weg zu jenem Ziele zu beschleunigen.

Ich behellige Sie hier mit meinen kleinen Anliegen; die Erinnerung an Ihre oft bewiesene Theilnahme reißt mich hin, und ich weiß, daß Sie mirs nicht übel deuten. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer lieben Fr. Gemahlin aufs beste. Ich danke Ihnen beyden für die liebevolle Aufnahme, die Sie ihr bey ihrer letzten Anwesenheit in W. haben wiederfahren lassen, wovon sie mich in meiner Krankheit oft unterhalten hat. Kommen Sie beide recht bald wieder nach Jena, und lassen Sie uns alsdann Ihnen zeigen, wie herzlich theuer Sie uns sind.

Ich lege hier zugleich einige Blätter für den Merkur bey, (wenn Sie etwa Gebrauch davon machen wollen). Sie haben einen jungen Künstler aus Rudolstadt zum Verfasser, der sich Kämmerer nennt. Meine Frau hat Ihnen, denke ich, schon vorläufig davon gesagt. Er würde, wenn Sie diesen Anfang nicht abweisen, noch einige kleine Aufsätze desselben Innhalts nachliefern, und mit einem Carolin pro Bogen höchlich zufrieden seyn. Ist Ihnen aber seine Schreiberey unbrauchbar, so bitte ich Sie ja, sich um unsert willen nicht mit ihm zu belästigen.

Von größerm Gehalte hingegen sind einige andere Aufsätze, die ich Ihnen von einem Landsmann anzubieten habe. Sein Name ist Reinhardt, und er kann Ihnen von einer Uebersetzung des Tibull und einzelnen kleinen Gedichten her schon bekannt seyn. Er lebt jetzt in Bourdeaux als Hofmeister, und ist beschäftigt, über die französische Revolution seine Betrachtungen zu schreiben, auch die wichtigsten Broschüren als Belege zu sammeln. Ein Aufsatz dieses Inhalts, der mir von seiner Feder zu Gesichte gekommen ist, verräth sehr viel Geist und viel Bekanntschaft mit seinem Gegenstande. Ich erwarte gegenwärtig noch mehrere dergleichen von ihm, die ich Ihnen laut seiner…