Jena den 1. November [Sonnabend] 1794.
Deinen Auftrag habe ich besorgt und ohne Mühe erhalten, daß die Anzeige abgedruckt wird. Aus den Erkundigungen, die ich sonst eingezogen, muß ich schließen, daß sich die Herren von der Litt. Z. gar nicht von Dir beleidigt wissen, und den 3ten Band der Ansichten nicht einmal kennen, der auch mir weder hier noch in Weimar vorgekommen ist. Wäre ihnen aber auch Dein Angriff auf sie bekannt und stündet ihr noch so übel miteinander, so würde dieser Umstand für Dein Hieherkommen und Hierseyn von gar keiner Bedeutung seyn; denn die Societät der Litt. Z. Bedeutet hier nicht mehr, als jede andre Privatgesellschaft an irgend einem Ort bedeuten kann, und man kann hier sehr in Frieden leben, ohne dieser Societät zu gefallen. Uebrigens wird es nicht schwerer seyn, sie wieder zu versöhnen, als sie zu beleidigen.
Ob Du sonst deine Rechnung in Jena finden dürftest ist eine andere Frage. Seit etlichen Jahren hat es sich hier in manchen Stücken sehr verändert. Da die Universität im Zug ist, so hält es für einen Fremden, der eine Haushaltung hat, schwer, unterzukommen. Die Wohnungen sind in hohem Preiß und zuweilen um Geld kaum zu haben. Noch kürzlich hat Hr. v. Humboldt, den Du auch kennst und der jetzt hier etabliert ist, Mühe gehabt, ein Quartier zu finden. Alsdann ist die gesellschaftliche Existenz für denjenigen, der außer Verhältniß mit der Akademie ist, nicht die anziehendste, und du müßtest Dich zum wenigsten der speculativen Philosophie widmen, um Dir in Jena zu gefallen. In politischer Rücksicht hättest Du übrigens (bey der nöthigen Behutsamkeit versteht sich) gar nichts zu besorgen.
Mir ist eingefallen, ob nicht vielleicht Erfurt der Ort wäre, der Deinen Absichten zusagte. Auf jeden Fall würdest Du dort an dem Coadjutor einen guten Freund, einen angenehmen Gesellschafter, und vielleicht in der Folge noch mehr finden. Durch fortgesetzten persönlichen Umgang müßte es Dir nicht schwer werden, ihn lebhaft für Dich zu interessieren; dabey ist er einer von den wenigen Großen, deren Umgang man, auch ohne einen Zweck mit ihnen zu haben, mit Vergnügen cultivieren kann. Du würdest für die Zukunft sorgen, ohne nöthig zu haben, in der Gegenwart dafür ein Opfer zu bringen. Uebrigens ist in den übrigen Dingen, die zum Leben gehören, zwischen hier und Erfurt wenig Unterschied.
Ich danke Dir für dein Andenken an mich und an die meinigen. Mit meiner Gesundheit ist es noch das alte; sie macht mich unbrauchbar für die akademische Bestimmung und für die größere Gesellschaft, aber biß jetzt hat sie mich an meiner übrigen Thätigkeit wenig gehindert, und mir überhaupt noch nicht viel von dem geraubt, worauf ich einen Werth lege. Meine Frau und der Kleine sind recht wohl auf.
Lebe wohl, und gib mir von Deinem künftigen Aufenthalt Nachricht. Dein treuer Freund Schiller. Meine Frau empfiehlt sich Deinem Andenken.