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Schiller an Ferdinand Huber, 10. Dezember 1790

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Jena d. 10. Dec. [Freitag] 90.

Ich beantworte Deinen Brief auf der Stelle, um, wenn wir uns nicht gehörig verstanden haben sollten, eine vergebliche Erwartungen und Recherchen von Deiner Seite zu erregen. Eine Hauptnachricht die ich von Dir gewünscht hätte, und nur zu bestimmen vergaß, war, „wie hoch ich mich auf jeden Fall bey einer philos. Profeßur in M. stehen müßte“? Ich befinde mich hir, was die Einnahme betrift, nicht so ganz schlecht. Außer 200 Rth. die mir der Herzog bezahlt kann ich bey einem sehr mäßigen Zulauf durch 2 Stunden Collegienlesen (fünfmal in der Woche) noch 200 verdienen und sobald ich meine academische Thätigkeit aufhöre als Nebensache zu behandeln, wären mir 500 Rth. für Vorlesungen gewiß; diß nebst 200 Rth. von meiner Schwiegermutter machte im ersten Fall 600 im 2ten 900 Rthlr. Mit 900 Rthl. Kann ich hier ohngefehr eben sogut leben als in M. mit 1300 oder 1400, weil wir dort in Kleidern Logis und Holz allein über 300 Thlr. zulegen müßten. Du begreifst, daß wenn ich für Collegien nur 200 Rth. einnehme, mir für Schriftstellerey der größte Theil meiner Zeit frey bleibt, und ich bin auf dem Wege, mich in eine schriftstellerische Arbeit einzulaßen die mir des Jahrs 800 Rth. abwerfen soll wenn ich sie zur Hauptsache mache. Also auf jeden Fall würde ich hir in Jena zum wenigsten auf 1100 Thlr. mich stehen, welches mir in M. gewiß 1600 werth seyn würde. Um mich also in Ansehung des Geldes wesentlich zu verbeßern würde ich in M. einen fixen Gehalt von 1000 bis 1200 Rth. und noch eine Zugabe an CollegienGeld zu hoffen haben müßen, daß, ohne eine schriftstellerische Feder anzusetzen ich mit dem, was meine Frau hat 1500 Rth. einzunehmen hätte. Ist dieses nicht, so kann von einer Versetzung nach M. nicht mehr die Rede seyn. So wie Du mir die Verhältniße beschreibst, würde ich mich von Seiten meiner Unabhängigkeit gegen Jena äuserst verschlimmern, und nur eine sehr erhebliche Finanzverbeßerung könnte mich dahin bringen mich unter Protektion zu begeben. Was ich in ledigen Jahren wohl über mich gewonnen hätte, verbietet mir die Delikateße, die ich meiner Frau schuldig bin. Ferner müßte mir in M. für meine Privatthätigkeit mehr Zeit übrig bleiben, als mein Amt erfoderte, und ich müßte in der Wahl und Menge meiner Vorlesungen ganz ungebunden seyn, etwa nur eine Stunde des Tags lesen dürfen und Ferien genießen. Mein Hauptzweck bei dieser ganzen Idee ist, und kann, wie Du leicht begreifst, kein anderer seyn, als eine angenehme äußre Lage, bey welcher ich die ganze Freiheit über die Beschäftigungen meines Geists behalte.

Durch meine Entfernung von hier muthe ich meiner Frau eine Trennung von ihrer Familie zu, und besonders würden meine Schwägerinn meine Frau und ich gleichviel bey dieser Trennung leiden. Ich verliere den Umgang mit dem C. in E. der uns wenigstens einigemal im Jahre von Jena aus gewiß bleibt. Auch muß ich in gewißem Sinn mit meinem Herzog brechen, der mich wirklich liebt und über meinen Austritt (sofern die Verbeßerung nicht augenscheinlich ist) mit Recht empfindlich seyn würde –. Ich schreibe Dir alles dieß, damit du siehst, wie die Sache ligt. Habe ich in M. nebst Vorlesungen ein Einkommen von 12 biß 1300 rthl. zu hoffen und bin ich dabey nicht Sclave meines Amts und zu einem mir unerträglichen Cour Machen verbunden, so ist ein Etablissement in M. eine Verbeßerung für mich, der ich etwas aufopfern kann.

Müller ist wirklich Verfaßer der bewußten Recension. Ich hab es von Hufeland, der es mir dieser Tage von freyen Stücken entdeckte. Müller würde mir nicht im Wege stehen. Ich würde mich an den K. selbst und ohne Mittelsperson wenden, aber einiger Zugänge zu ihm mich vorher versichern. F. würde dann sein Wort dazu geben. Auch an madame wendete ich mich weit lieber unmittelbar, wenn sich eine ungezwungene Gelegenheit dazu darbieten sollte.

Du kannst denken, wie sehr mir bey dieser ganzen Sache an einer vorläufigen Sicherheit ligt, keinen Fehlschlag zu erfahren. Ich werde also gewiß nichts übereilen; aber von hier abkommen, um in M. persönlich meine Sache zu betreiben kann ich weder auf Weynachten noch auf Ostern. Alles kann und muß schriftlich gehen. Durch eine Reise nach M., die nicht verschwiegen bleiben könnte, würde ich mir hier schaden, wenn meine Absicht nicht erreicht würde.

Was Du von Vogt und s. historischen Profeßur schreibst, ist mir neu gewesen. Ich dachte, der Vogt, der Profeßor in der Geschichte war, sey gestorben. Dieser Vogt soll, wie mir der C. in E. sagt, sich sehr schlecht stehen.

Ich bin begierig, Deine Rec. über Klinger zu lesen. Von mir findest Du in 8 oder 10 Tagen auch eine Recension in d. allg. LZ. die Du ziemlich leicht erkennen wirst. Seit dem Egmont habe ich auch keine Zeile mehr für die L. Z. gearbeitet.

Jetzt lebewohl und mache Forsters recht herzliche Empfehlungen von mir.

Ewig Dein

Schiller.